Das Start-up Matr verspricht, Matratzen nahezu vollkommen zu recyceln.

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In Europas Mülldeponien und Verbrennungsanlagen türmen sich jährlich um die 30 Millionen Matratzen. Zu diesem Ergebnis kam die European Bedding Industry Association (Ebia) bereits 2014. Und das, obwohl rund 85 Prozent der Materialien recycelt werden könnten.

Matratzen bestehen nämlich häufig aus Schaumstoff, Latex, Federkernen und Textilien wie Baumwolle oder Filz. Laut Verena Judmayer sind die Einzelteile aber meist aneinandergeklebt und somit schwierig zu recyceln.

Damit die Einzelteile künftig wieder verwendet werden können, hat Judmayer mit Michaela Stephen das Start-up Matr mit Sitz in Wien gegründet. Das Versprechen: zu 99 Prozent recycelfähige Matratzen.

Gelingen soll das, indem sie mit Stahl und Polyester ausschließlich zwei Materialien verarbeiten. Der Kleber ist laut Judmayer ebenfalls auf Polyesterbasis und löslich. Er verfüge über ein sogenanntes "Click on, click off"-System. Genaueres dürfe sie nicht verraten, da die Technologie vom Hersteller patentiert sei.

Auskunft über die Bestandteile liefert ein Produktpass. Produzieren lässt Matr demnach in Europa, konkret in den Niederlanden. Woher die einzelnen Materialien allerdings genau stammen, lässt sich aus dem Pass nicht ablesen.

Aus Alt mach Neu

Hat die Matratze ihr Lebensende erreicht, fährt sie per Lkw zurück zum Produzenten in die Niederlande. Dort wird sie auseinandergenommen, der Stahl eingeschmolzen, das Polyester zu Granulat verarbeitet und zu Garn gesponnen.

Ziel der Gründerinnen ist, aus ebendiesem Material wieder eine Matratze zum Leben zu erwecken. Das ist aber noch Zukunftsmusik – die Matratzen sind schließlich gerade erst zum Liegen gekommen.

Drei Wiener Hotels und ein Apartment habe Matr bereits beliefert. Die Matratzen können Hotels kaufen oder mieten. Die Modelle sind mittel oder fest und variabel in der Größe. Für Privatpersonen beginnt der Preis bei rund 900 Euro.

Dem Matratzenmüll entgegenwirken, das haben sich auch andere Unternehmen auf die Fahnen geschrieben. Retourmatras in den Niederlanden beispielsweise hat einen automatisierten Recyclingprozess entwickelt.

D & E Entsorgung in Wesel in Deutschland hat sich eigenen Angaben zufolge ebenfalls auf die Zerlegung von Matratzen spezialisiert. 90 Prozent der Sekundärstoffe könnten wiederverwertet werden. Außerdem ist das Unternehmen laut Website mit 2000 Tonnen zerlegter Matratzen bundesweiter Marktführer.

Rohstoffe im Kreislauf

Um der Kreislaufwirtschaft europaweit mehr Schwung zu verleihen, hat die Europäische Kommission 2015 den Aktionsplan "Circular Economy" ins Leben gerufen. Sieben Jahre später hat vergangenen Dezember der Ministerrat auch in Österreich eine nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie beschlossen.

Dieser zufolge hat sich der weltweite Material-Fußabdruck in den letzten dreißig Jahren mehr als verdoppelt. Konkret von 43 Milliarden Tonnen im Jahr 1990 auf 92 Milliarden im Jahr 2017.

Daher lautet eines der erklärten Ziele auch, den Material-Fußabdruck zu verringern. Dieser umfasst die Gesamtmenge an verwendeten Materialien. Er wird verkleinert, indem deren Wiederverwendung gesteigert wird. 2017 lag der Material-Fußabdruck in Österreich bei 33 Tonnen pro Kopf und Jahr. Bis 2050 soll er bei sieben Tonnen pro Kopf und Jahr liegen. Bis 2030 soll zudem die Zirkularitätsrate auf 18 Prozent gesteigert werden.

Erste Fortschritte will das Umweltministerium Ende des Jahres veröffentlichen. (Julia Beirer, 26.01.2023)