Der Protest gegen die Überdachung des Flohmarkts am Naschmarkt hatte Erfolg. Jetzt wird die Fläche begrünt. Dafür soll eine kleinere Markthalle unter dem Namen "Entree" auf der Fläche des Bauernmarktes gebaut werden.

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Noch reiht sich auf dem Parkplatz am Naschmarkt ein Auto an das nächste, bald schon soll es hier aber ganz anders aussehen. Die Fläche zwischen Margaritensteg und Falcostiege – also vom Anfang der Wienfluss-Überbauung bis zum ersten U-Bahn-Abgang – wird begrünt. Auch dort, wo jeden Samstag der Flohmarkt stattfindet, sollen dutzende Bäume gepflanzt werden. Der Parkplatz verschwindet.

Viele Monate sorgte die Entscheidung für Streit – um den Erhalt der Parkplätze, um Pläne für eine Markthalle und um die Entsiegelung der heute zubetonierten Fläche. Dann präsentierten die Planungsstadträtin Ulli Sima und Bezirksvorsteher Markus Rumelhart (beide SPÖ) doch den neuen Plan, der auch die Forderungen der Bürgerinitiative Freiraum Naschmarkt und der Grünen einbezieht. "Wir wollen die unerträgliche Hitzeinsel Naschmarktparkplatz entschärfen und zu einem neuen Grätzel-Treffpunkt machen", erklärte Sima. Jetzt läuft ein europaweiter Wettbewerb um die genaue Ausgestaltung.

Projekte wie die Umgestaltung des Naschmarktparkplatzes werden in Zukunft wohl häufiger werden: Wien hat es in seinem Klimafahrplan zum Ziel erklärt, bis 2040 klimaneutral zu sein. Die größte Schraube dabei ist in Wien der Verkehr. Er sorgt für etwa 36 Prozent der Emissionen der Stadt.

Um sie zu senken, sieht der Klimafahrplan vor, den Anteil des motorisierten Individualverkehrs an der Mobilität in der Stadt bis 2030 auf 15 Prozent zu reduzieren. Derzeit liegt er bei rund 27 Prozent. In den nächsten sieben Jahren soll sich das Aufkommen an Autos also nahezu halbieren.

Paris, Brüssel und Stockholm haben mehr geschafft

"Ich sehe noch nicht, wie das gelingen soll", sagt Paul Stein, Bezirksrat der Grünen in Mariahilf. "Auf Bezirksebene wird jeder Parkplatz verteidigt. Auch um die Grünfläche am Naschmarktparkplatz mussten wir lange kämpfen." Statt Parkplätze zu erhalten, müssten die Radinfrastruktur deutlich verbessert und die Begrünung auch in den Innenbezirken ernst genommen werden, ergänzt er.

Eine ähnliche Kritik formuliert die Umweltökonomin Sigrid Stagl von der WU Wien: "Die Stadt will Alternativen schaffen, aber sich auf keinen Fall mit den Autofahrern anlegen." Dabei sei öffentlicher Raum teuer, und die Kosten, die Autos auf den Straßen verursachen, würden auf alle umgewälzt, kritisiert sie. Städte wie Paris, Brüssel oder Stockholm hätten in den vergangenen Jahren sehr viel mehr geschafft als Wien.

Das zeige sich auch bei der Planung neuer Begrünungen, so Stagl. "Es gibt überall dort Konflikte, wo Autos mit Bäumen konkurrieren. Wir brauchen Bäume aber dringend, die Hitzebelastung wird gravierend."

Dabei sieht der Klimafahrplan vor, dass auch im dichtbebauten Stadtgebiet neue Bäume gepflanzt werden sollen. Im Koalitionsabkommen ist die Rede von insgesamt 4.500 Bäumen im Jahr – wobei dazu auch die Randbezirke zählen.

Der motorisierte Individualverkehr soll in Wien bis 2030 auf 15 Prozent sinken.
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"Raus aus dem Gas"-Plan soll Wärme- und Kälteversorgung umstellen

Diese sind das Spezialgebiet von jenem Mann, der der Stadt helfen soll, die Klimaziele zu erreichen. Der Forstdirektor der Stadt, Andreas Januskovecz, leitet seit knapp über einem Jahr die Klimaagenden der Stadt. Die Begrünung in der Stadt sei zwar nicht einfach – etwa ist die Aufbereitung des Untergrunds teuer, weil beispielsweise Rohre vor Baumwurzeln geschützt werden müssen –, doch mit Blick auf die steigenden Temperaturen absolut notwendig.

"Im urbanen Bereich wird sich die Klimafrage entscheiden", ist Januskovecz überzeugt. Hier gebe es durch die Dichte öffentlicher Verkehrsmittel einen größeren Hebel für schnelle Verbesserungen – gleichzeitig bringe die enge Verbauung aber eben auch große Herausforderungen.

Die großen Hebel für die Klimaneutralität sieht Januskovecz neben dem Verkehr und der Begrünung in der Dämmung von Gebäuden und der Umstellung des Energiesystems. Dazu hat die Stadt für die Umstellung der Wärme- und Kälteversorgung auf erneuerbare Energien den "Raus aus Gas"-Plan entworfen. Er soll die Komplettumstellung bis 2040 möglich machen – unter anderem mit einem Ausbau der Fernwärme in dicht bebauten Gebieten und erneuerbaren Niedertemperaturwärmenetzen und erneuerbaren Energielösungen in weniger dicht bebauten Gegenden.

In Richtung Kreislaufwirtschaft

"Wir haben uns die Latte sowohl bei der Wärme- und Kälteversorgung als auch für den Verkehr sehr hoch gelegt", sagt der Klimadirektor. Die Ziele seien nur schwer erreichbar, doch seien sie schon allein deshalb wichtig, damit nötige Maßnahmen nicht noch weiter aufgeschoben würden.

Gleichzeitig sei klar: Das Ziel könne nicht allein mit Veränderungen von Bau und Technik erreicht werden – es müsse vor allem auch intelligent gespart werden, der Konsum müsse abnehmen und die Stadt sich in Richtung einer Kreislaufwirtschaft bewegen. Dazu brauche es einen stärkeren Dialog mit den Menschen. Der Wiener Klimarat, an dem sich unter anderem Menschen aus der Zivilgesellschaft beteiligen, bleibe daher ein wichtiges Begleitgremium der Stadtregierung.

Ohne Zwischenschritte geht es nicht

Auch Umweltökonomin Stagl lobt den "Raus aus Gas"-Plan, dieser signalisiere Ernsthaftigkeit. Allerdings sei enttäuschend, dass legistisch dazu noch nichts passiert sei – die Pläne also nach wie vor sehr unverbindlich seien. Insgesamt seien die Entwicklungen bei der Energieversorgung in Wien aber vielversprechend.

Der Klimafahrplan sei ein guter Start, sagt die Wissenschafterin weiter – doch er müsse noch konkreter werden. "Wir müssen Zwischenschritte festlegen. Was wird bis wann geschafft?", so Stagl. Ohne verbindliche Zwischenziele werde die Klimaneutralität bis 2040 nicht erreicht werden können. (Alicia Prager, 25.1.2023)