Lange hielt sich Olaf Scholz bedeckt, hat geschwiegen und abgewogen. Aber nun steht die Entscheidung des deutschen Bundeskanzlers fest: Berlin wird der Ukraine Leopard-Kampfpanzer liefern und erlaubt dies auch seinen Verbündeten.

Nahm sich für eine schwere Entscheidung viel Zeit: Olaf Scholz.
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Viele finden das falsch, nicht wenige sind hingegen froh. Und die zweite Gruppe teilt sich nun in zwei Lager. Na endlich, wird ja auch Zeit, er hat gerade noch die Kurve bekommen, doch der außen- und innenpolitische Schaden durch die deutsche Bedächtigkeit ist groß, monieren die einen.

Die anderen loben vorrangig seinen Schachzug, die USA einzubinden. Unweigerlich fällt einem das geflügelte Wort des ehemaligen deutschen Kanzlers Helmut Kohl (1982 bis 1998) ein: Wichtig ist, was hinten rauskommt.

Deutschland liefert der Ukraine 14 Kampfpanzer vom Typ Leopard-2-A6. Die deutsche Bundesregierung genehmigt außerdem anderen Staaten die Lieferung eigener Leopard-Panzer an die Ukraine.
DER STANDARD

Historischer Schritt

In dem Fall ist das eine wirkliche Zeitenwende. Eine, die die von Scholz selbst im Februar 2022 ausgerufene – nämlich die Bundeswehr angesichts des russischen Einmarschs in die Ukraine massiv aufzurüsten – weit in den Schatten stellt.

Erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg werden deutsche Kampfpanzer in Europa zum Einsatz kommen. Noch vor einem Jahr hätte sich das kaum jemand vorstellen können und noch weniger ausmalen mögen.

Aufgrund der deutschen Geschichte, der Gräuel des Nationalsozialismus, wollte sich deutsche Sicherheitspolitik nach Kriegsende vorrangig durch Zurückhaltung, Konfliktverhütung und Friedenssicherung auszeichnen. Nie mehr in Kampfhandlungen verwickelt zu werden, das gilt vielen heute noch als oberste Maxime.

Doch sie ließ sich nicht durchhalten. Je mehr der zeitliche Abstand zum Zweiten Weltkrieg wuchs, desto mehr verschoben sich die vormals roten Linien. Die Grünen, damals erstmals in Regierungsverantwortung, hat es vor 25 Jahren fast zerrissen, als ihr Außenminister Joschka Fischer Bundeswehr-Soldaten in den ersten Kampfeinsatz (Kosovo) schickte.

Und auch wenn Gerhard Schröder, Kanzler von 1998 bis 2005, heute wegen seiner Russland-Connections in weiten Teilen der Sozialdemokratie als Paria gilt – es wird ihm nach wie vor hoch angerechnet, dass er dem Drängen des damaligen US-Präsidenten George W. Bush, sich am Krieg gegen den Irak zu beteiligen, widersetzte und dafür auch eine Eiszeit zwischen Berlin und Washington in Kauf nahm.

Ohne große Rückendeckung

Damals wusste Schröder den Großteil der Bevölkerung hinter sich. Dies ist nun anders: Sein Nachnachfolger Scholz kann sich derlei Rückendeckung in der Panzerfrage nicht sicher sein.

Die Deutschen sind gespalten. Laut ARD-Deutschland-Trend befürworten 46 Prozent diese militärische Unterstützung, 43 Prozent sind dagegen. Das RTL/ntv-Trendbarometer liefert noch knappere Zahlen: 44 Prozent Zustimmung, 45 Prozent Ablehnung.

Die Entscheidung hat Scholz nun getroffen. Das ist gut, denn jetzt haben die Ukraine und die Verbündeten Klarheit.

Die Zeit des Nachdenkens und das Agieren hinter den Kulissen mögen für Scholz erst einmal zu Ende sein. Doch es bleiben für ihn große Herausforderungen. Er muss die Deutschen bei dieser gravierenden Zäsur mitnehmen. Das bedeutet für den oft zurückhaltenden Kanzler: Die vielen weiteren nötigen Schritte dürfen deutlich besser erklärt werden. Nur so schafft man Akzeptanz. (Birgit Baumann, 25.1.2023)