"Und was ist mit Frankreich?", fragte am Mittwoch der reichweitenstärkste Pariser Radiosender France-Inter, nachdem er über die angekündigte Lieferung deutscher Leopard-2-Panzer an die Ukraine berichtet hatte.

Die Frage bleibt vorerst ohne klare Antwort – was Bände spricht über die Verlegenheit der französischen Diplomatie. Noch am Sonntag hatte Staatspräsident Emmanuel Macron im Beisein des deutschen Bundeskanzlers Olaf Scholz erklärt, er schließe nichts aus, sofern es "kollektiv abgestimmt" sei; dem Verteidigungsministerium habe er den Auftrag gegeben, an einer möglichen Entsendung "zu arbeiten".

Französische Leclerc-Panzer bei einer Militärübung in Rumänien im vergangenen Dezember.
Foto: AFP/THOMAS SAMSON

Das klang so ausweichend wie Scholz' Aussage, vorerst sei die Leopard-Frage nicht aktuell. Jetzt, da sich die deutsche Seite doch zu einer Lieferung von Kampfpanzern durchgerungen hat, befindet sich Macron plötzlich selber unter Zugzwang. Anfang Jänner hatte er zuerst selber die Initiative ergriffen und die Lieferung einiger Schützenpanzer des Typs AMX-10 bekanntgegeben. Ob gewollt oder nicht: Er setzte damit auch Berlin unter Druck.

Führungsposition fraglich

Nun ereilt ihn dasselbe Los. Nach Großbritannien und anderen westlichen Ländern schicken auch Deutschland und die USA schwere Panzer in den Osten – der französische Präsident überlegt dagegen weiter. Pariser Diplomaten monieren, die französische Führungsposition in der EU werde durch diese abwartende Haltung weiter geschwächt. Schon bei der Militärhilfe liege Frankreich nicht nur hinter den USA, Großbritannien, Polen oder Deutschland, sondern auch hinter Kleinstaaten wie Tschechien oder Lettland oder entfernten Ländern wie Kanada zurück. Und nachdem Macron im Jänner in der Panzerfrage vorgeprescht sei, bilde er nun wieder das Schlusslicht, hießt es in Paris.

Macron verbarg am Mittwoch seinen Ärger, indem er Deutschland für seine Leopard-Entscheidung "beglückwünschte". Am Sonntag hatte sich Scholz an der deutsch-französischen Feier zum 60. Jahrestag des Elysée-Vertrages in Paris noch bedeckt gehalten. Es sei denn, dass er Macron über die unmittelbar bevorstehende Leopard-Entscheidung unterrichtet hatte. Der Pariser Kommentator Renaud Pila zweifelt daran und wirft der deutschen Regierung vor, sie spreche sich im Ernstfall lieber mit dem amerikanischen als mit dem französischen Alliierten ab.

Viele Panzer nicht einsatzfähig

Das französische Zögern könnte allerdings auch technische Gründe haben: Die französischen Leclerc-Panzer werden seit 2008 nicht mehr hergestellt, und viele der 220 Exemplare sind momentan nicht einsatzfähig. Die französische Armee hat offenbar selber nicht genug dieser technologischen Spitzenprodukte, um damit Übungen durchführen zu können. Macron machte deshalb die Lieferung davon abhängig, dass sie "die Kapazität unserer Verteidigung" nicht schmälere. (Stefan Brändle aus Paris, 25.1.2023)