Bild eines Neuroblastomtumors, dessen Zellen gentechnisch so verändert wurden, dass sie rot fluoreszieren.

Foto: MIU/Daniel Nothdurfter

Ob Keksformen, Werkzeuge oder Waffen: Durch 3D-Druck kann heutzutage eine Vielzahl von Gegenständen erzeugt werden. In Innsbruck druckt ein siebenköpfiges Forschungsteam unter Leitung von Michael Ausserlechner und Judith Hagenbuchner inzwischen sogar menschliche Haut. An der Medizinischen Universität Innsbruck (MUI) wird in einem sogenannten 3D-Bioprinting-Labor an der Herstellung menschlichen Gewebes mittels 3D-Druckverfahrens gearbeitet.

Warum das Ganze? Medikamente und andere Wirkstoffe wurden in der Forschung lange auf zweidimensionalen Zellkulturen oder mittels Tierversuchen getestet. Einerseits reagiert menschliches Gewebe aufgrund seiner dreidimensionalen Beschaffenheit anders als die 2D-Kulturen in Petrischalen, wodurch die Aussagekraft der Testungen begrenzt ist. Andererseits gelten Tierversuche, die in Österreich zuletzt wieder angestiegen waren, als ethisch fragwürdig und sind wegen unterschiedlicher physiologischer Voraussetzungen ebenfalls nur begrenzt aussagekräftig. Deswegen kommen in der Forschung immer mehr 3D-Modelle zum Einsatz, so auch in Innsbruck.

Plexiglasscheiben statt Tierversuche

"Zweidimensionale Zellkulturen, also menschliche Zellen in einer Petrischale, reflektieren die reale Situation im Gewebe nur sehr unvollständig", erklärt Michael Ausserlechner vom Bioprinting-Labor der MUI. Die Testung von Medikamenten und Patientenreaktionen sei im 2D-Verfahren schwierig, deswegen sei man 2018 auf das 3D-Bioprinting umgestiegen. Gedruckt wird dabei mit sogenannter Biotinte, einem Gel, bestehend aus einer Mischung von lebenden Zellen und Proteinen wie Gelatine oder Kollagen. Diese Proteine sind chemisch so verändert, dass sie sich verfestigen, sobald sie mit violettem Licht bestrahlt werden.

Die lebenden Zellen, die zur Herstellung der Biotinte eingesetzt werden, stammen aus eingekauften Zelllinien oder Patientenmaterial in Kooperation mit der plastischen Chirurgie. Wenn bei einer Fettabsaugung beispielsweise die Haut verkleinert wird, können – mit Einverständnis der Patientinnen und der Ethikkommission – Hautzellen aus der übrigen Haut verwendet werden.

Anschließend wird die Tinte Schicht für Schicht in spezielle Plexiglasplättchen gedruckt und für mehrere Wochen in speziellen Nährflüssigkeiten kultiviert. In dieser Zeit bauen sich die Zellen in der Biotinte komplett um und beginnen, selbst Proteine herzustellen, sodass nach circa einem Monat etwas entsteht, das "echter Haut" sehr ähnelt.

"Zuerst haben wir nur ein transparentes Gel mit lebenden menschlichen Zellen in einem Chip. Wenn wir dann die biogedruckte Haut wachsen lassen und die Oberseite an der Luft ist, werden die obersten Hautzellen zu einer richtigen Barriere, wie die Hornschicht unserer Haut", sagt Ausserlechner. Das Ergebnis: Es bildet sich eine Oberhaut, die der Epidermis, unserer obersten Hautschicht, sehr ähnelt.

Hilfe gegen Eizellenkrebs

Geforscht wird im Innsbrucker Labor vor allem zu personalisierter Medizin und Gewebemodellen. Die Forschenden konzentrieren sich dabei auf drei unterschiedliche Fragestellungen: Zum einen nutzen sie die Hautmodelle, um anhand dieser Alterung und etwaige Möglichkeiten zur Umkehrung derselben zu studieren. Weiters untersuchen sie, wie jenes Gewebe, das Tumore direkt umgibt, auf den Tumor reagiert und dessen Therapie somit beispielsweise schwieriger macht.

3D-Biodrucker an der Medizinischen Universität Innsbruck.
Foto: MIU/Michael Ausserlechner

Auch an therapiebegleitenden Verfahren für Patientinnen mit Eierstockkrebs wird gearbeitet. Dafür werden Tumorproben der Patientinnen in vitro kultiviert und ein patientinnenspezifisches Testing für die entsprechende Medikation durchgeführt. Innerhalb von knapp zwei Wochen kann somit prognostiziert werden, ob die jeweilige Patientin auf das Medikament anspricht oder nicht. Bisher konnte dies nur durch die Verfolgung eines Tumormarkers im Blut gemessen werden, das dauerte mitunter mehrere Monate – eine Zeitspanne, die für die Behandlung der Patientinnen kritisch sein kann.

Und was ist mit Organen?

Wenn nun also bereits Haut gedruckt werden kann, wie weit sind wir dann vom Druck ganzer Organe entfernt? Im Jahr 2021 war es israelischen Forschenden gelungen, ein kirschgroßes Herz aus menschlichen Zellen mittels 3D-Print zu erstellen. Dieses verfügte über Blutgefäße und Kammern, war allerdings nicht voll funktionsfähig, da sich die Zellen nicht selbstständig zusammenziehen konnten.

Vergangenes Jahr erfolgte in den USA schließlich sogar die erste Transplantation eines 3D-gedruckten Ohrs an einer jungen Frau. Da eine solche Technologie vielen Menschen, die auf eine Organtransplantation warten, das Leben retten könnte, läuft die Forschung auch in diesem Bereich auf Hochdruck. Dies wird in Innsbruck zwar aufmerksam verfolgt, selbst habe man jedoch nicht das Ziel, in Richtung Organ-Replacement zu gehen. "Bei uns liegt der Fokus auf personalisierter Medizin und Gewebemodellen, an denen wir beispielsweise Medikamente oder neue Wirkstoffe testen können", erklärt Ausserlechner.

Ähnliches gilt für die Nachbildung von Gewebe für Menschen, die Verbrennungen erlitten haben: "Es gibt da schon sehr spannende Ansätze, wir machen das jedoch derzeit nicht. Wir sind ein kleines Team und konzentrieren uns wirklich auf die Entwicklung von Testmodellen aus 3D-biogedrucktem menschlichem Gewebe." Prinzipiell ist aus Forschungssicht also vieles möglich, doch für die Zukunft scheinen In-vitro-Testungen, wie sie in Innsbruck durchgeführt werden, am wahrscheinlichsten zur Anwendung zu kommen.

So viel kostet der Plexiglaschip mit Gewebe

Was die Massentauglichkeit des 3D-Bioprintings anbelangt, zeigt sich Ausserlechner optimistisch: "Ich bin ziemlich zuversichtlich, dass man das (Verfahren, Anm.) in naher Zukunft direkt für eine patientenspezifische Austestung, also Precision-Medicine, verwenden kann."

Die erste Hürde für die Massentauglichkeit scheint zumindest genommen, denn das Verfahren an sich ist verhältnismäßig kosteneffizient. Für einen Plexiglaschip inklusive hineingedruckten menschlichen Gewebes und Arbeitszeit belaufen sich die Kosten auf 150 bis 250 Euro.

Da es sich bei diesen allerdings noch nicht um patientinnenspezifische Chips handelt, ist die Summe exklusive Gewebeaufbereitung berechnet. Für personalisierte Testungen käme hier demnach ein weitere Kostenfaktor hinzu. Außerdem muss berücksichtigt werden, dass je nach Fragestellung eine variierende Anzahl von Chips verwendet werden muss, was sich ebenfalls auf die Gesamtkosten auswirkt. Je nach Fragestellung werden davon circa zehn bis 15 Stück benötigt.

Bald sollen Blutgefäße gedruckt werden

Für dieses Jahr plant das Forschungsteam, die Forschung in den Bereich 2-Photonen-3D-Nanodruck auszuweiten. "Damit kann man 3D-Modelle, sowohl biologisch lebende als auch beispielsweise aus Harz, mit einer Auflösung im Mikrometer- bis Nanometerbereich herstellen."

Damit könnten beispielsweise feine Blutgefäße nachgebildet werden. Bisher muss das Team sich nämlich darauf verlassen, dass sich in solchen Blutgefäßzellen spontan selbstständig ein Kapillarnetzwerk ausbildet. Das funktioniert zwar gut, könnte durch die Nanodrucktechnologie jedoch deutlich gezielter durchgeführt werden. (Johanna Pauls, 26.1.2023)