Der ORF setzt auf Inszenierung: Susanne Schnabl und Hanno Settele interviewten den Bundespräsidenten in einer eigens aufgestellten "Blackbox", um sich nicht ablenken zu lassen.

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Wien – "Fad war das nicht", bestätigte Alexander Van der Bellen die Einschätzung der ersten sechs Jahre seiner Amtszeit als Bundespräsident in einem Interview mit dem ORF. Was noch kommen wird, könnte, politisch gesehen, ebenfalls sehr spannend werden: Der Präsident lässt explizit offen, ob er FPÖ-Chef Herbert Kickl, sollten die Freiheitlichen bei der Nationalratswahl stärkste Kraft werden, mit der Regierungsbildung beauftragen würde.

In der Verfassung sei keineswegs vorgesehen, dass die stimmenstärkste Partei den Auftrag zur Regierungsbildung erhalten müsse. Der Bundespräsident könne den Kanzler ernennen, betonte Van der Bellen, und er sei in dieser Entscheidung frei.

Van der Bellen machte klar, dass eine klare proeuropäische Einstellung für ihn absolute Bedingung sei. Die Unterstützung einer einheitlichen, geschlossenen Einstellung der EU in Bezug auf den Ukraine-Krieg sei ebenfalls eine zentrale Voraussetzung. Für ihn sei es nicht vorstellbar, eine antieuropäische Partei, die den Krieg gegen die Ukraine nicht verurteilt, zu beauftragen. Wenn er am Donnerstag seinen Amtseid ablege, werde er nicht nur auf die Verfassung und die Einhaltung der Gesetze verpflichtet, sondern auch versprechen, das Amt nach bestem Wissen und Gewissen, und hier betonte er besonders das Gewissen, auszuüben. "Darauf können Sie sich verlassen", versicherte Van der Bellen.

Man möge Kickl – und nicht ihn – fragen, "ob es richtig war, gegen sein eigenes Haus, gegen das Innenministerium, eine Razzia zu machen, die zu nichts geführt hat außer dass die ausländischen Intelligence-Dienste jedes Vertrauen in Österreich verloren haben und und und ...."

Kickl sieht "persönliche Willkür einer einzelnen Person"

Kickl reagierte via Facebook. Offenbar solle nicht der Wählerwille in Sachen Regierungsbildung entscheiden, "sondern die persönliche Willkür einer einzelnen Person", postete er. Und wandte sich gegen die kritischen Anmerkungen des Bundespräsidenten zur FPÖ: "Um moralisch zu sein, genügt es, den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine zu verurteilen. Alle anderen Angriffskriege sind offenbar gar kein Problem", schrieb Kickl, sowie: "Und zur EU darf man nur freundlich sein, sonst ist man ein Europafeind." Abschließend merkte der FPÖ-Chef an: "Aha. Sehr neutral. Sehr demokratisch. Sehr moralisch. Sehr rechtsstaatlich. Sehr tolerant. Oder vielleicht doch nicht."

Das ORF-Interview mit Van der Bellen, das am Mittwochabend ausgestrahlt wurde, fand in der Hofburg statt, dort allerdings in einem schwarz ausgekleideten Raum, einer Blackbox, um keine Ablenkung aufkommen zu lassen.

Problem Korruption

Angesprochen wurde Van der Bellen auch auf das, was er als "Wasserschaden der Republik" bezeichnet hatte. Der Bundespräsident unterschied zwischen der klassischen Korruption, in der Geld für eine Leistung fließe, und jener Korruption, die beschönigend als "Freunderlwirtschaft" bezeichnet wird und sich im Dunstkreis von Regierungsparteien abspiele. In den publik gewordenen Chats gebe es genügend Beispiele, wo bei Postenbesetzungen nicht die Qualifikation vorrangig war, sondern die Fragen "Ist das einer von uns?" und "Ist diese Person steuerbar?" gestellt wurden. "Das ist Gift", stellte der Bundespräsident fest, "damit müssen wir aufhören." Für ihn sei jedenfalls klar: "Wir haben ein Korruptionsproblem."

Zu Bundeskanzler Karl Nehammer habe er ein gutes Arbeitsverhältnis, erzählte Van der Bellen, der seinen Gästen auch Kaffee zubereitete. Er selbst trinke fünf oder sechs am Tag. (völ, ag, APA, 25.1.2023)