"Das will ich mit Ihnen nicht diskutieren", antwortete Johanna Mikl-Leitner im STANDARD-Interview auf die Frage, ob es wirklich notwendig sei, sechs Millionen Euro für ihren Wahlkampf in Niederösterreich auszugeben. Eine verständliche Reaktion, zumal die Landeshauptfrau in ihrem Bundesland einen anderen journalistischen Zugang zu ihrer Person gewohnt ist.

So präsentierten unlängst die Niederösterreichischen Nachrichten eine Umfrage, bei der vier zufällig ausgewählte Bürgerinnen und Bürger aus dem Bezirk Melk gefragt wurden: "Wissen Sie schon, wen Sie wählen?" Drei von ihnen äußerten eine Präferenz für Mikl-Leitner, wobei im Artikel unerwähnt bleibt, dass es sich bei allen dreien um Gemeinderäte der ÖVP handelt. Das wirkt ein wenig so, als würde man zum Thema "Soll der Bundespräsident eine Generalamnestie erlassen?" vornehmlich Insassen der Strafanstalt Stein befragen.

Johanna Mikl-Leitner, Landeshauptfrau von Niederösterreich.
Foto: APA/HELMUT FOHRINGER

Noch dreistere Landeshauptfrau-Propaganda gibt es nur im ORF-Landesstudio. Dieser Tage bekannt gewordene Aussagen von ORF-Mitarbeitern legen den Verdacht nahe, dass die niederösterreichische ÖVP das Landesstudio völlig ungeniert für eigene Zwecke missbraucht hat. Das Wort "Verdacht" ist in diesem Fall ähnlich zu verstehen wie in der Aussage "Es besteht der Verdacht, dass in die Kassen der am Sonntag in Zeitungstaschen aushängenden Tageszeitungen nicht immer der korrekte Kaufpreis der Zeitung eingeworfen wird". Wobei gesagt werden muss: Menschen, die dieses Delikt begehen, haben oft das nachvollziehbare Tatmotiv, bei bestimmten Zeitungen wenigstens einmal in der Woche für ein korrektes Preis-Leistungs-Verhältnis sorgen zu wollen.

Dramatische Finanzprobleme

Das Preis-Leistungs-Verhältnis im Landesstudio Niederösterreich ist jedenfalls ein Problem, denn der ORF gehört uns Bürgerinnen und Bürgern und nicht der niederösterreichischen Volkspartei. Wäre es andersrum, stünde auf dem Küniglberg kein ORF-Auge, sondern ein Gipfelkreuz – oder eher ein Giebelkreuz.

Doch vielleicht wäre genau das die Lösung für die immer dramatischer werdenden Finanzprobleme des ORF: ein Verkauf des St. Pöltner Landesstudios an die ÖVP. Oder gleich direkt an Raiffeisen, wo man sich das allein mit den gerade in Russland generierten Gewinnen locker leisten könnte.

Das wäre auch für die ÖVP Niederösterreich eine Erleichterung, denn sie müsste nicht mehr mühsam die Landeshauptfrau in jeden TV-Beitrag hineinreklamieren, sondern einfach Beiträge danach auswählen, ob Mikl-Leitner darin vorkommt – sogenannte "Hannimationsfilme". Interviews gäbe es nur mehr mit dem "Miklofon", statt des Opernballs zeigt man den "Hanniball", mit Präsentation der günstigsten Landeshauptfrau-Ballkleider, und Berichte über die Opposition beschränken sich auf Franz Schnabl, dessen Auftritte stets Werbung für Mikl-Leitner darstellen.

Bis es so weit ist, laufen zur ÖVP-Usurpation des Landesstudios aber noch Untersuchungen, zu denen Johanna Mikl-Leitner bislang eine Aussage verweigert hat. Sie will nämlich auch diese Affäre nicht diskutieren, da es sich um ein "internes Problem des ORF" handle. Das erinnert allerdings an einen Hendlbauern, der Käfighaltung zu einem "internen Problem" seiner Hühner erklärt. (Florian Scheuba, 26.1.2023)