Der Politiker hatte einem 26-Jährigen Verleumdung und Falschaussage vorgeworfen.

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Wien – Ein 26-Jähriger ist am Mittwoch am Wiener Landesgericht vom Vorwurf, einen Wiener Kommunalpolitiker verleumdet und gegen den ÖVP-Vertreter falsch ausgesagt zu haben, nicht rechtskräftig freigesprochen worden. Der Mann hatte den deutlich älteren Mann wegen sexueller Belästigung angezeigt. Die Staatsanwaltschaft Wien stellte die Ermittlungen gegen den Politiker ein – wegen Verjährung, wie Norbert Haslhofer, der Verteidiger des 26-Jährigen, sagte.

In weiterer Folge wurde allerdings der 26-Jährige wegen Verleumdung und falscher Zeugenaussage zur Anklage gebracht. Dasselbe widerfuhr einem zweiten jungen Mann, der den ÖVP-Politiker einer Vergewaltigung beschuldigt hatte. Dieses Verfahren hatte die Anklagebehörde im Vorjahr aus Beweisgründen eingestellt, weil sie in Abwägung der Beweislage keinen tatsächlichen Grund zur weiteren Verfolgung des Beschuldigten sah, wie Verteidiger Haslhofer gegenüber der APA erläuterte. Neben dem 26-Jährigen landete daher auch der zweite jüngere Mann wegen Verleumdung auf der Anklagebank.

Politiker spricht von "einvernehmlichen sexuellen Kontakten"

Das Verfahren gegen den Mitangeklagten wurde vom Richter ausgeschieden und auf unbestimmte Zeit vertagt. Ein psychiatrisches Gutachten soll die Aussagefähigkeit und Aussagetüchtigkeit dieses Mannes erklären, der 2020 zunächst Freunden und etwas später auch der Kriminalpolizei berichtet hatte, er sei 2017 von dem ÖVP-Politiker nach einer Party mutmaßlich mittels K.-o.-Tropfen betäubt worden und erst in dessen Bett wieder zu sich gekommen, als dieser an ihm sexuelle Handlungen vornahm.

Der ÖVP-Politiker hatte sämtliche Anschuldigungen in Abrede gestellt und bekräftigte das am Mittwoch in einer ausführlichen, mehrstündigen Zeugenaussage unter Wahrheitspflicht. Mit beiden jungen Männern habe es einvernehmliche sexuelle Kontakte gegeben, deren Angaben seien nicht wahr, betonte der Kommunalpolitiker.

Richter: Angeklagter wirkte glaubwürdig

Der Freispruch erging im Zweifel, wie der Richter in der Begründung erklärte. Er könne nicht mit der für ein Strafverfahren erforderlichen Sicherheit feststellen, ob die sexuelle Belästigung stattgefunden hatte oder nicht. Der angeklagte 26-Jährige habe einen "glaubwürdigen Eindruck gemacht" und sich vor Gericht "unbefangen präsentiert". Der Politiker sei ebenfalls glaubwürdig gewesen. "Ich kann nicht eindeutig sagen, der eine ist glaubwürdiger als der andere", meinte der Richter.

Der Freispruch für den 26-Jährigen ist nicht rechtskräftig. Die Staatsanwältin gab vorerst keine Erklärung ab.

Der Darstellung des 26-Jährigen zufolge hatte er den Wiener Kommunalpolitiker über eine Datingplattform für schwule Männer kennengelernt. In weiterer Folge verabredete man sich, dabei kam es einmal zu sexuellen Kontakten. Weitere habe es später nicht mehr gegeben, "weil er (der Politiker, Anm.) nicht sein Typ ist", wie der Rechtsvertreter des 26-Jährigen vor Gericht erklärte. Der deutlich ältere Mann sei jedoch bei einem weiteren Treffen im August 2017 äußerst zudringlich geworden, habe sich entblößt und seinen Mandanten zu sexuellen Handlungen aufgefordert, worauf dieser geflüchtet sei.

Politiker erwartete sich intimen Kontakt

Der Kommunalpolitiker schilderte das vor Gericht anders. Er habe den Mann über Facebook kennengelernt, indem er ihm online zum 18. Geburtstag gratulierte. 2016 sei er von dem deutlich jüngeren Mann nach Tirol eingeladen worden, dabei sei es zu "einvernehmlichem Sex" gekommen. Bei einem nächsten Treffen habe man sich "vergnügt vertraut unterhalten", im August 2017 sei es dann zu einem "angenehmen Dinner" in einem Hotel gekommen.

Er habe sich intimen Kontakt im Hotelzimmer erwartet, dort habe ihm der junge Mann aber zu verstehen gegeben, "dass er nicht mehr als Zärtlichkeiten möchte. Das hab' ich akzeptiert", schilderte der Zeuge. Die ihm unterstellte massive Aufforderung zu sexuellen Handlungen sei nicht passiert.

Den zweiten jungen Mann, der ihn 2021 wegen Vergewaltigung angezeigt hatte, habe er im November 2016 bei der Wahl zum Mister Austria kennengelernt, sagte der ÖVP-Politiker aus. Das habe zu "einvernehmlichem Sex" geführt. Ab 2017 habe sich mit diesem Mann "eine außerpartnerschaftliche intime Sphäre" mit einer "engen Freundschaft" entwickelt: "Wir haben das Verhältnis diskret gehalten, weil ich in einer Beziehung war." Im Frühjahr 2019 habe es dann einen "großen Streit" gegeben, seither habe er den jungen Mann "auf allen Kanälen blockiert".

"Er könnte ihr Vater sein"

Die Behauptung, er habe diesen Mann 2017 betäubt und vergewaltigt, sei erlogen, betonte der Politiker. Dieser habe vielmehr im Frühjahr 2018 für ihn zu arbeiten begonnen und sei – nachdem seine eigene Beziehung zu Ende gegangen war – bei ihm eingezogen.

Die zwei jungen Männer sind miteinander befreundet – sie sind beziehungsweise waren beide in der Jungen ÖVP engagiert. Aus deren Freundschaft leitete der Kommunalpolitiker die Motivlage der zwei ab. Sie hätten sich gegenseitig "unterstützt, um mir Schaden zuzufügen". Nach der gegen ihn eingebrachten Anzeige sei es ihm "schlecht gegangen", er habe "befürchtet, dass das Wort 'Vergewaltigung' an mir kleben bleibt ein Leben lang".

Verteidiger Haslhofer gab allerdings am Ende der Verhandlung zu bedenken, die beiden Männer hätten sich vermutlich auf die Kontakte zu dem ÖVP-Politiker eingelassen, um innerhalb der Partei auf sich aufmerksam zu machen. "Die wollten nach oben kommen. Die wollten ihre Kontakte nützen. Das war nie eine Freundschaft auf Augenhöhe", sagte Haslhofer. Der ÖVP-Politiker habe das Machtgefälle ausgenutzt. "Er könnte ihr Vater sein." (APA, red, 25.1.2023)