Seit zweieinhalb Jahren warten die Libanesen auf Rechenschaft über die tödliche Hafenexplosion. Richter Bitar ist ihre einzige Hoffnung.

Foto: Reuters / Mohamed Azakir

Beirut – Schon seit mehr als einem Jahr kann Tarek Bitar, der libanesische Richter, der mit der Aufklärung der Explosion im Hafen von Beirut betraut wurde, seiner Arbeit nicht mehr nachgehen. Zwei schiitische Politiker, die der Hisbollah nahestehen und selbst ins Visier von Bitar geraten waren, blockierten im Dezember 2021 seine Untersuchungen mit einer Klage. Kritiker sahen darin einen weiteren offenkundigen Versuch politischer Einflussnahme.

Doch Bitar ist keineswegs untätig geblieben: Wochenlang durchforstete er nach eigenen Angaben Gesetzestexte und fand eine Grundlage für sein spektakuläres Comeback, das er am Montag verkündete.

Status des Sonderermittlers

Demnach könne ein von der Regierung ernannter und gerichtlich bestätigter Sonderermittler nicht per Klage abgesetzt werden. Sein Mandat ende erst, wenn eine Anklage gegen die Verantwortlichen für die verheerende Katastrophe, die am 4. August 2020 den Hafen in Beirut erschütterte und mehr als 200 Menschen tötete, erfolgt sei. Damit will Bitar nun augenscheinlich nicht zögern: Für Februar hat er 15 Personen zur Einvernahme vorgeladen, darunter zwei Ex-Minister und den damaligen Premier Hassan Diab. Laut einem Reuters-Bericht, der sich auf die Vorladungen beruft, werden sie von Bitar wegen "wahrscheinlich vorsätzlicher Tötung" belangt.

Des Weiteren stehen wichtige Sicherheitsbeamte, der Generalstaatsanwalt Ghassan Oweidat und weitere drei Richter auf Bitars Vorladungsliste. Außerdem ordnete er die Freilassung fünf in der Causa inhaftierter Personen an – etwa eines syrischen Schweißers, der Arbeiten an der Lagerhalle durchgeführt haben soll, in der rund drei Tonnen Ammoniumnitrat unsachgemäß gelagert waren, wovon zahlreiche Politiker und Beamten gewusst haben.

Doch nach aktuellem Stand gilt es als ungewiss, welche Entscheidungen Bitars überhaupt durchgesetzt werden können. Generalstaatsanwalt Oweidat erachtet diese nämlich als nichtig und hat seinerseits eine Klage gegen Bitar, der für viele als letzte Hoffnung auf Aufklärung gilt, eingereicht. Zudem ordnete er die Enthaftung aller Verdächtigen an. Bitar muss weiterhin mit starkem Gegenwind rechnen. (fmo, 25.1.2023)