Der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman bei US-Präsident Donald Trump, der ihm laut eigener Aussage "den Arsch rettete", indem er nach der Ermordung Jamal Khashoggis zu ihm stand.

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Donald Trumps letzter Außenminister, Mike Pompeo, ist nicht irgendein US-amerikanischer Politpensionist. "Vermutlich ein Präludium zum Rennen um die republikanische Nominierung als Präsidentschaftskandidat 2024" nennt die Washington Post (WP) sein soeben erschienenes Buch Never Give an Inch: Fighting for the America I love (etwa: "Keinen Zentimeter nachgeben: Im Kampf für das Amerika, das ich liebe"). Darin beschäftigt sich der Chefdiplomat des vorigen US-Präsidenten unter anderem mit der Ermordung des saudischen Publizisten und WP-Kolumnisten Jamal Khashoggi.

Worum es bei dem Fall geht, daran erinnert die Tageszeitung in ihrem Leitartikel am Dienstag drastisch: "Mr. Khashoggi wurde im saudischen Konsulat in Istanbul am 2. Oktober 2018 erstickt, seine Gliedmaßen wurden mit einer Knochensäge abgetrennt. Unter den 15 Killern waren sieben Mitglieder aus der Elite-Personenschutzeinheit des saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman, bekannt als MbS, der laut US-Geheimdiensten ‚eine Operation, Khashoggi festzunehmen oder zu töten‘, befürwortete. Seine Leiche wurde nie gefunden."

Eine historische Figur

Pompeo hält fest, dass Khashoggi in seinen Augen kein Journalist, sondern ein Aktivist gewesen sei, dessen Ermordung einen "unverhältnismäßigen globalen Aufruhr" erzeugt habe. Die Linke würde den saudischen Kronprinzen hassen, der "die größte Kulturreform in der Geschichte des Königreichs anführt". Er werde sich jedoch als einer der "wichtigsten Leader seiner Zeit und als wahrhaft historische Figur auf der Weltbühne" erweisen.

Ob in Riad über Pompeos Publicity nur reine Freude herrscht, sei dahingestellt: Der Khashoggi-Mord hat den voraussichtlichen saudischen Thronerben – den ersten aus einer neuen Generation – international stark beschädigt. Die saudische Führung setzt auf Zeit und Vergessen, und das funktioniert ganz gut. Dabei hilft auch der russische Krieg in der Ukraine. Der Ölproduzent Saudi-Arabien soll nicht, vom Westen isoliert, in die Arme Moskaus getrieben werden.

Mohammed bin Salman führt für seinen altersschwachen Vater, König Salman, jetzt schon weitgehend die Geschäfte. Auch Joe Biden, der sich schon in seinem Wahlkampf überaus hart gegenüber MbS äußerte und als Präsident den CIA-Bericht veröffentlichte, hat bereits eine Kursrevision vorgenommen und im Sommer den Kronprinzen erstmals wieder getroffen. Empfangen wurde er auch etwa von Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron, der deutsche Kanzler Olaf Scholz traf ihn im September in Saudi-Arabien.

Tötungen anordnen

Pompeo wahrt die Form und verurteilt den Mord, es gebe aber keine zwingenden Beweise, dass MbS der Auftraggeber sei. Und auch, wenn: "Ich bin vielen Leuten begegnet, die Tötungen angeordnet haben." Damit hat er wohl recht – auch US-Präsidenten gehören dazu. Allerdings kaum Tötungen von Journalisten, die sie kritisieren, wie Khashoggi, der an MbS Kritik übte.

Für Pompeo hat Khashoggi blöderweise auf jenes "Team" in der saudischen Königsfamilie gesetzt, das den Kampf um den Thron verloren hat. Das ist zwar im Lichte seiner Ermordung verharmlosend formuliert, aber es ist gewiss richtig, dass Khashoggi nicht ein Dissident des saudischen Königshauses im eigentlichen Sinn war. Er war ein Insider, der einigen Royals tatsächlich nahestand und für sie arbeitete.

Umso skurriler ist der Versuch, ihn im Nachhinein zum gefährlichen Sympathisanten von "Terroristen" – damit sind die Muslimbrüder gemeint – zu machen. Als Journalist hatte Khashoggi, was ihm ebenfalls vorgeworfen wird, Osama bin Laden interviewt. Das war 1987 – als bin Laden in Afghanistan mit von Saudi-Arabien dorthin geleiteter US-Hilfe die Sowjets bekämpfte.

Zum Muslimbruder-Image trug auch bei, dass Khashoggis Verlobte, Hatice Cengiz, die er heiraten wollte – er war ins saudische Generalkonsulat in Istanbul gegangen, um sich seine Papiere zu besorgen –, ein Kopftuch auf türkische Art trug. Nach seiner Ermordung tauchte auch eine ägyptischstämmige Ehefrau auf, die er nach ihren Angaben erst 2018 mit islamischem Ritus geheiratet hatte. Khashoggi war zuvor dreimal geschieden, seine Söhne leben in Saudi-Arabien und wurden vom Staat offenbar entschädigt.

Von Realität keine Ahnung

Pompeo bestätigt in seinem Buch, was Trump einmal so formuliert hatte: Der US-Präsident hätte Mohammed bin Salman "den Arsch gerettet", indem er ihn nicht fallengelassen habe. Trump habe ihn, Pompeo, beneidet, dass er derjenige gewesen sei, der "der Washington Post, der New York Times und anderen Bettnässern, die von der Realität keine Ahnung haben, den Mittelfinger zeigen" durfte, indem er in der Krise zu MbS gefahren sei.

Hatice Cengiz brachte in einem US-Gericht eine Klage gegen "Mohammed bin Salman et alii" ein, was eine Rolle dabei gespielt haben dürfte, dass der saudische Kronprinz im Vorjahr einen neuen Job dazubekam: Er wurde Premierminister.

Das Amt steht laut saudischem Regierungsgesetz dem König zu, mit einem Dekret wurde eine Ausnahme geschaffen. Als Regierungschef ist MbS gegen Strafverfolgung immun, solange er im Amt ist, bestätigte das US-Justizministerium im November. Es ließ sich allerdings mit diesem Befund länger Zeit, als den Saudis lieb war. Freunde werden Biden und MbS nicht mehr. Mit einem Präsidenten Mike Pompeo wäre das schon anders. (Gudrun Harrer, 26.1.2023)