Vor exakt sechs Jahren wurde Van der Bellen zum ersten Mal angelobt. Damals durch den Bundesratsvorsitz.
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Die zweite Amtszeit, das wird zumindest behauptet, ist die einfachere, die entspanntere, die freiere. Denn an ihrem Ende ist auch wirklich Schluss. Danach steht schließlich keine Wahlauseinandersetzung mehr an, keine Sorge über eine Abwahl. In der zweiten Amtszeit, da werden dann auch Bundespräsidenten in Österreich mal direkter. Nun geht diese auch für Alexander Van der Bellen los.

67 Auslandsreisen, darunter vier Staatsbesuche, haben Van der Bellen in seiner ersten Amtszeit in 35 Länder geführt.

Um zehn Uhr wurde am Donnerstag Van der Bellen zum zweiten – und letzten – Mal vor der Bundesversammlung, die sich aus den Abgeordneten von National- und Bundesrat zusammensetzt, angelobt. Diesmal ist Wolfgang Sobotka (ÖVP) an der Reihe: Er nimmt dem Bundespräsidenten die Gelöbnisformel ab. Das ist nicht immer die Aufgabe des Nationalratspräsidenten. Dieser wechselt sich mit dem Präsidenten des Bundesrats ab, der Van der Bellen 2017 angelobt hat. Zu der Veranstaltung sind rund 700 Gäste aus dem In- und Ausland geladen, fast 1.000 Menschen werden im historischen Sitzungssaal des Parlaments dabei sein.

Flaggen, Kränze, Reden

Danach ist großes Tamtam über mehrere Stunden angesetzt, wie man es sonst nur vom Nationalfeiertag gewohnt ist: ein militärischer Festakt plus Flaggenparade des Heeres, einer Kranzniederlegung und Rede. Anschließend trifft der neue, alte Bundespräsident zuerst auf die Bevölkerung, dann auf Mitglieder der Bundesregierung – bevor die Feierlichkeiten an diesem Tag mit einer weiteren Ansprache beendet werden.

6.454 Ehrenzeichen hat Van der Bellen bisher verliehen – etwa an Physiker Anton Zeilinger.
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Nach der Angelobung beginnt die neue Amtsperiode Van der Bellens. Und zumindest vom Datum her ist der Start exakt gleich wie vor sechs Jahren. Doch als am 26. Jänner 2017 der ehemalige Bundessprecher der Grünen zum Präsidenten ernannt wurde, konnte keiner absehen, wie bewegt und intensiv diese Zeit wird.

29 Fotos von First Dog Juli hat Van der Bellen bisher auf seinem Instagram-Profil gepostet. Juli war auch bei so manchem STANDARD-Interview dabei.
Foto: Regine Hendrich

Dabei startete alles recht holprig. Erst wurde die Stichwahl zwischen Van der Bellen und dem blauen Norbert Hofer wiederholt, dann wegen Kuvertproblemen verschoben. Als Van der Bellen mit knappem Vorsprung schließlich gewählt wurde, kündigte er an, das gespaltene Land wieder einen zu wollen.

Steiniger Weg

Auf dem Weg dorthin lagen allerdings einige Steine. Bereits 2019 kam dem Präsidenten große Aufmerksamkeit zu, als das Ibiza-Video bekannt wurde. "So sind wir nicht", erklärte er in einer Ansprache an die Republik. Ein Satz, der picken blieb.

Auf den Vorschlag des damaligen Kanzlers Sebastian Kurz (ÖVP) entließ Van der Bellen Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) – es war das erste Mal, dass dies in der Zweiten Republik geschah. Kurze Zeit später tat er das mit der gesamten Regierung, nachdem der Nationalrat ihr das Vertrauen entzogen hatte. Van der Bellen setzte als Übergangsregierung Beamte und Expertinnen ein. Und gelobte mit Brigitte Bierlein Österreichs erste Kanzlerin an.

69 Ministerinnen und Minister hat Van der Bellen in seiner ersten Amtszeit angelobt.
Foto: Heribert Corn

Weitere vier Kanzler (zweimal davon Sebastian Kurz) hob Van der Bellen in seiner ersten Funktionsperiode in ihre Ämter. Doch diese fünf Regierungsführenden waren neben den 69 Ministerinnen und Ressortchefs nur die Zugabe im Angelobungsreigen.

465 Verurteilte hat Van der Bellen begnadigt, auf Vorschlag des Justizministeriums.

Die nächste Turbulenz kam 2020 mit der Covid-Pandemie. Denn Lockdowns, Impfdebatten und Schulschließungen führten nicht zur Einigung der Bevölkerung, sondern trieben einen weiteren Keil in sie.

"Toleranz und Liebe"

Im selben Jahr erschütterte das "feige terroristische Attentat auf das Herz unserer Gesellschaft", wie es Van der Bellen bezeichnete, Wien und Österreich. In einer Ansprache an die Nation erklärte Van der Bellen nach dem Wiener Terroranschlag am 2. November 2020: "Hass kann niemals so stark sein wie unsere Gemeinschaft in Freiheit, in Demokratie, in Toleranz und in Liebe." (Oona Kroisleitner, Stefanie Rachbauer, 26.1.2023)