Weder sattelfest noch in der Spur scheint der Rodelsport zu sein, wenn es um die Umwelt geht. Auch die Winterspiele 2026 könnten in Sachen Nachhaltigkeit das Nachsehen haben.

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"In Igls müsste man so oder so dringend etwas tun", sagt Prock.

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Wie wurde sich nicht über Südkorea und China empört, als dort zu den Winterspielen 2018 bzw. 2022 gewaltige Anlagen für Rennrodeln, Bobfahren und Skeleton aus dem Boden gestampft wurden. Wenige Jahre später ist die Stimmung zumindest in Italien, aber nicht nur dort, eine ganz andere. Schließlich stehen 2026 die Olympischen Spiele in Cortina d’Ampezzo an, doch Cortina steht – Surprise, Surprise! – ohne tauglichen Eiskanal da.

Dem ursprünglichen Plan, mit den drei Kufendisziplinen nach Innsbruck-Igls zu übersiedeln, das zwar jenseits einer Grenze, aber nicht weiter als hundert Kilometer Luftlinie oder zweieinhalb Autostunden entfernt liegt, hat Italien nun eine Absage erteilt. Begründung: Die Bahn in Igls müsse um 50 Millionen Euro renoviert werden, da baue man lieber um gut 100 Millionen gleich eine neue Anlage vor Ort. Prompt liefen Umweltschutzorganisationen Sturm gegen den von Luigivalerio Sant’Andrea verkündeten Beschluss. Er ist Regierungskommissar und Geschäftsführer der Gesellschaft Milano Cortina 2020–2026, die für den Bau der Infrastrukturen für die Winterspiele zuständig ist.

Kundige bezweifeln, dass sich eine neue Bahn mit Investitionen von nur 100 Millionen Euro hinstellen lässt. Markus Prock ist so ein Kundiger, der 58-jährige Tiroler war zehnmal Gesamtweltcupsieger, zweimal Weltmeister und zweimal Olympiazweiter im Einsitzer, seit 2018 steht er dem heimischen Rodelverband als Präsident vor. Prock ist, was die Cortina-Igls-Diskussion betrifft, hin- und hergerissen, das gibt er zu. Dem Sport insgesamt und der Rodelnation Italien würde eine neue Bahn natürlich nicht schaden, sagt er. Deshalb und aus Verbundenheit mit seinem alten Südtiroler Rivalen und Spezi Armin Zöggeler, der heute Vizepräsident des Weltverbands (Fil) ist, will er nicht schlecht über Cortina reden.

Ein schlechtes Beispiel

Aber Prock kann auch verstehen, wenn ein Neubau aus Umweltschutzgründen kritisiert wird. Natürlich könne man "die Nachhaltigkeit infrage stellen". In Italien kommt dazu, dass ja schon für die Spiele 2006 (Turin/Sestriere) ein Eiskanal errichtet wurde, der danach praktisch nicht mehr in Verwendung war. Die Errichtung dieser Bahn vor zwei Jahrzehnten hatte laut Prock schon 120 Millionen Euro gekostet, auch deshalb würde er meinen, dass heute eher ein Vielfaches zu berappen wäre.

Der Eiskanal in Igls, auch daraus macht Prock kein Hehl, müsste nicht nur für olympische Bewerbe renoviert werden. "Da müsste man so oder so dringend etwas tun." Die für die Winterspiele 1976 errichtete Anlage sei ein echter Wirtschaftsfaktor, bringe 25.000 Nächtigungen im Jahr. Doch bald würde sie die Zulassung zumindest für Bobbewerbe verlieren. Der Auslauf gehört umgebaut, verlängert, überdacht, der Frauenstart müsste weiter nach oben verlegt werden. "Und die Startanlage bricht auch langsam zusammen." Eine ordentliche Anschubanlage wäre überfällig.

Ein guter Anlass

Was das alles kosten würde? Verbandspräsident Prock meint, dass Igls mit Investitionen in Höhe von 32 Millionen Euro das Auslangen finden könnte. Olympiabewerbe wären klarerweise kein schlechter Anlass, um bei der Stadt, beim Land und beim Bund wegen Förderungen vorstellig zu werden. Zudem sollte man meinen, dass die Cortina-Organisatoren, so sie doch noch nach Igls ausweichen, sich an etwaigen Kosten beteiligen. Im Gegenzug könnte Igls dem italienischen Olympiateam beispielsweise mehr Trainingsmöglichkeiten garantieren, also zu einer Art Heimvorteil verhelfen.

Er wolle "nicht gegen Cortina schießen", sagt Prock, das habe er auch Zöggeler versprochen. "Aber bevor dort nicht die Bagger fahren, glaub ich nicht an eine neue Bahn." Dem olympischen Dachverband IOC wird seit vielen Jahren Gigantismus und Ignoranz in Umweltschutzdingen vorgeworfen. Und Cortina wurde nicht zuletzt damit beworben, dass sich die olympische Bewegung wieder der Natur annähern wolle. Dieser Geschichte würde eine neue Eisbahn zuwiderlaufen, schließlich stellt neben oder nach ihrem Bau auch ihre Erhaltung eine Umweltbelastung samt großem Energieaufwand dar.

China kratzt das zwar wahrscheinlich nicht, aber das IOC muss sich sehr wohl die Frage gefallen lassen, ob der 500 Millionen US-Dollar teure Eiskanal in Yanqing tatsächlich nur für die Spiele 2022 gebaut wurde. Im Folgewinter findet dort kein einziger Weltcupbewerb statt. Wenigstens liegt die Bahn dort irgendwo, wohingegen die in Cortina angedachte Anlage im unteren Bereich auch Wohngebiet tangieren würde. "Ich bin schon ein Rodelfanatiker", sagt Markus Prock, "aber neben der Bahn wohnen muss ich auch nicht." (Fritz Neumann, 26.1.2023)