Herbert Kickl als Kanzler? Bundespräsident Alexander Van der Bellen hätte rein inhaltlich etwas dagegen.

Foto: STANDARD/Corn

Solche Klarheit hätte man sich schon früher gewünscht – und nicht nur vom Bundespräsidenten. Wenn Herbert Kickl weiter einen klar europafeindlichen Kurs fahre, wenn er sich nicht durchringen könne, den Aggressionskrieg Russlands gegen die Ukraine zu verurteilen, dann könne er auch nicht automatisch damit rechnen, mit der Regierungsbildung beauftragt zu werden – selbst wenn die FPÖ stimmenstärkste Partei werden sollte. Das richtete der frisch angelobte Präsident Alexander Van der Bellen dem FPÖ-Chef, der in Umfragen gerade Höhenflüge erlebt, sehr entschieden aus.

Später Mut

Van der Bellen hat spät zu dieser klaren Haltung gefunden. Er gab im ORF-Interview auch frank und frei zu, dass er ja nichts mehr zu verlieren habe – er kann sich schließlich keiner Wahl mehr stellen. Im Gegenteil: Dem Bundespräsidenten geht es bereits um so etwas wie ein politisches Vermächtnis. Er möchte nicht als einer in die Geschichte eingehen, dem es an politischem Mut gemangelt habe, Entwicklungen, die die Republik destabilisieren könnten, anzusprechen.

Genau das sorgt bereits für Kritik, nach dem Motto: Ist die Amtsperiode finalisiert, präsidiert sich's völlig ungeniert. Da ist etwas dran, besser und mutiger ginge es wohl immer. Freilich gilt auch: Wenigstens einer in der österreichischen Politik zieht eine Grenze, setzt Kickl etwas entgegen. Kickl hat endlich einen politischen Gegner vor sich, einen, der seinen rechtspopulistischen, teils destruktiven Kurs klar ablehnt. Von den anderen Parteien, den Mitbewerbern der FPÖ um die Stimmen der Wählerinnen und Wähler, kommt da herzlich wenig.

Vorbild Van der Bellen?

Die Regierung ist beschäftigt mit der Bewältigung multipler Krisen, reibt sich auf an der Negierung eines Korruptionsproblems (ÖVP) und der Frage, wie viel Grün diese Koalition überhaupt aushält (Grüne). Die SPÖ ist vor allem mit sich selbst beschäftigt, und die Neos arbeiten sich vor allem an der Regierung ab.

Kickl verhält sich zwischendurch still, manchmal angriffig – aber immer hat er sein großes Projekt im Blick: die Unzufriedenen, Enttäuschten, Verbitterten um sich zu sammeln und dann im Namen des vermeintlichen "Volkes" die rechtsstaatlichen und demokratischen Institutionen des Landes zu diskreditieren und zu unterminieren. Die Abgrenzung nach ganz weit rechts fällt der FPÖ nicht nur schwer, Kickl umwirbt etwa die rechtsradikalen Identitären phasenweise sogar aktiv. Dass die FPÖ das Regieren nicht beherrscht, weil sie ständig über sich selbst stolpert, hat sie hinlänglich bewiesen, zuletzt eindrucksvoll durch das Ibiza-Video.

Das nennt man Politik

Vielleicht macht ja Van der Bellens Beispiel in den Parteien Schule. Man muss sich mit der FPÖ auseinandersetzen, man darf das, was sie sagt, behauptet, was sie vertritt, nicht einfach so stehen lassen. Will man bei Wahlen erfolgreich sein, muss man die Mühe auf sich nehmen und immer wieder erklären, worin man sich unterscheidet, auch und vor allem von der FPÖ, sowie was es bedeuten würde, wenn diese ihre politischen Ziele durchsetzt. Das nennt man dann Politik machen. (Petra Stuiber, 26.1.2023)