Mit Kerzen gedachten Menschen am Tag nach dem Anschlag der Opfer.

Foto: AFP/CRISTINA QUICLER

Die südspanische Stadt Algeciras ist in Trauer. Seit Mittwochabend hängen die Fahnen auf halbmast, nachdem ein Mann dort zwei Kirchen überfallen hat. Mit einer Machete tötete er den Mesner in der einen und verletzte den Priester sowie drei Gläubige in der anderen. Die Polizei verhaftete kurz darauf den mutmaßlichen Täter, einen 25-Jährigen marokkanischer Herkunft. Das oberste Strafgericht Spaniens, die Audiencia Nacional in Madrid, leitete Ermittlungen wegen Terrorismus islamistischer Prägung ein.

Der bewaffnete Angreifer stand laut Innenministerium wegen Radikalisierung unter Beobachtung der Polizei. Der 25-jährige Marokkaner hatte sich demnach illegal in Spanien aufgehalten und habe abgeschoben werden sollen. Zunächst hatte es geheißen, der Angreifer sei den Behörden nicht bekannt gewesen.

Streit über Religion

Das Ganze begann – so die polizeilichen Ermittlungen, auf die sich die örtliche Presse beruft – gegen 18.30 Uhr. Der Mann betrat demnach die Kapelle San Isidro im Zentrum der andalusischen Hafenstadt. Er begann mit den Anwesenden über Religion zu streiten und warf ihnen vor, ungläubig zu sein, solange sie nicht zum Islam übertreten würden. Dann verließ er die Kirche und beschimpfte Passanten auf der Straße. "Du arbeitest für Jesus und Maria", schrie er einen an.

Um 19.20 Uhr kehrte er zurück. Er trug dieses Mal keine westliche Straßenkleidung mehr, sondern eine Dschellaba – das typische Gewand Nordafrikas –, und war mit einer mit einem Totenkopf geschmückten Machete bewaffnet. Er versuchte den Priester Antonio Rodríguez, der gerade eine Messe abhielt, vom Altar zu vertreiben. Als dieser sich wehrte, schlug er mit der Machete auf den 74-Jährigen ein und verletzte ihn schwer. Dank der Erstversorgung durch einen Polizeibeamten und einen Krankenpfleger, die bei der Messe anwesend waren, konnte das Opfer stabilisiert werden. Der Priester ist mittlerweile nach einer Notoperation außer Lebensgefahr.

Gegenstände vom Altar geworfen

Von der Kirche San Isidro begab sich der Angreifer in die nahe gelegene Kirche Nuestra Señora de La Palma, eine der größten der Stadt. Dort traf er gegen 19.30 Uhr ein. "Er begann Gegenstände vom Altar zu werfen", erinnert sich Pfarrer Juan José Marina im Gespräch mit der Presse. Der Mesner, Diego Valencia, versuchte ihn daran zu hindern. Doch der Angreifer schlug auf ihn mit der Machete ein. Dem Mesner gelang es, auf die Straße zu flüchten, wo ihn der Angreifer einholte und tötete. Der Täter soll immer wieder "Gott ist groß!" und "Tod den Christen!" geschrien haben.

Nach dem Überfall auf Nuestra Señora de La Palma versuchte er schließlich noch eine weitere nahe gelegene Kapelle zu überfallen, fand sie jedoch geschlossen vor. Als die Polizei sich ihm in den Weg stellte, kniete er nieder und ließ sich ohne weiteren Widerstand festnehmen.

Keine Komplizen

Der Verhaftete hatte laut bisherigen Ermittlungen keine Komplizen. Ministerpräsident Pedro Sánchez sprach der Familie des ermordeten Mesners sein Beileid aus. " Schrecklich und herzzerreißend", twitterte der Chef der andalusischen Regionalregierung, Juan Manuel Moreno. Und er mahnte: "Intoleranz wird niemals einen Platz in unserer Gesellschaft haben."

Die islamische Gemeinde in der Region Campo de Gibraltar, zu der Algeciras gehört, schloss sich dem an und verurteilte den Anschlag: "Diese kriminellen Handlungen beeinträchtigen das Zusammenleben, das unsere Gesellschaft in Algeciras immer prägte", heißt es von der Organisation. Sie stellte auch klar: "Diese verwerflichen Taten sind weit entfernt von unserer Religion und von der muslimischen Gemeinschaft, die immer ein Beispiel des Zusammenlebens und der Begegnung war." (Reiner Wandler aus Madrid, 26.1.2023)