Nicht nur Mikaela Shiffrin, sondern ihr Interview sorgte für Schlagzeilen.
Foto: AP/Facciotti

PRO: Einfädler: Überheblichkeit

von Andreas Hagenauer

Achtung, das könnte für einige jetzt hart werden: In Österreich regiert nicht König Fußball, nein, Skifoahrn ist der Sport des Volkes, das People's Game. Kitzbühel: 85.000 Zuschauer an drei Tagen. Schladming: Rund 50.000 beim Nachtslalom. Die Übertragungen des alpinen Skisports sind die Königsdisziplin der TV-Sportberichterstattung. Und auch da passt man sich der Rasanz an, es muss zugehen, wie wenn man beim Slalom aufs Podest fahren will: Der Läufer oder die Läuferin ist auf der Piste, zack, Fahrt kommentieren, zack, Analyse, nebenbei Schneebeschaffenheit, Kurssetzung und ob die Oma auch schon einmal Weltcuppunkte gesammelt hat. Weiter, Nadelöhr, Flash-Interview Trainerin, Flashinterview Sportler. Wer bremst, verliert. Wer nicht bremst, macht aber auch Fehler. Für die Kommentierenden ist es eine Herausforderung. Quasi eine alpine Kombination mit allen Bewerben plus Skispringen, Biathlon und Eiskunstlauf.

Generell gilt: Man könnte es als Frevel, ja Majestätsbeleidigung ansehen, dass angehende Skisportler und Skisportlerinnen nicht mit den ersten Schwüngen auch einen verbindlichen Deutschkurs absolvieren müssen. (Oder noch besser: Ohne Deutsch keine Liftkarte!)

Österreich schwamm mit der Internationalisierung des Skisports zusehends die sportliche Benchmark davon, das liegt vielleicht auch an einer gewissen Überheblichkeit, die sich mit Jahrzehnten der Dominanz eingeschlichen hat. Der Übersetzungsfehler von ORF-Mann Peter Brunner beim Flash-Interview mit Mikaela Shiffrin ist im Grunde ein Schmunzler, der (unabhängig von der thematischen Tragweite) auch der Rasanz der Übertragung geschuldet ist. Simultandolmetschen, gerade bei Sportinterviews, sind kein Babyhang, vor allem wenn man nicht ausgebildeter Dolmetscher ist. Und davon auszugehen, dass Englisch für die Zuseher und Zuseherinnen eh kein Problem sein müsste, ist vor allem eines: bildungsbürgerliche Überheblichkeit. (Andreas Hagenauer)

KONTRA: Look, Listen and Learn

von Fritz Neumann

Wie viele Menschen in diesem Land hätten, was Mikaela Shiffrin sagte, auf Anhieb richtig übersetzt? Die Frage kann man sich schon stellen nach dem zur Berühmtheit gelangten Interview, in dem die US-Skirennläuferin kurz auf Menstruationsbeschwerden ("monthly cycle") zu reden kam, was von einem damit gewiss nicht rechnenden ORF-Sportreporter simultan wie folgt gedolmetscht wurde: "Ich komm nicht einmal zum Radfahren, was ich immer mach jedes Monat." Das ist zunächst einfach funny und gewiss kein Anlass, erste Steine zu werfen, und es wirft vor allem ein Licht auf ein wichtiges Thema, mit dem (auch) Sportlerinnen umzugehen haben und für das es generell viel zu wenig Bewusstsein gibt.

Dass der ORF bei jedem Skirennen ausgebildete Simultandolmetscher in den Zielraum stellt, spielt es schon aus Kostengründen nicht. Das würde die GIS-Gebühren, über die schon genug gejammert wird, noch einmal in die Höhe schnellen lassen. Interviews zu Ende führen und sie erst dann, mit etwas Abstand, auf Deutsch wiedergeben? Dagegen spricht, dass die Show inzwischen weitergelaufen ist und dann etwa über die Fahrt der folgenden Läuferin "drübergeredet" werden muss.

In Skandinavien wird vor allem deshalb besser Englisch geredet, weil dort selbst Kinofilme oft nicht in Übersetzung daherkommen. Was wäre, wenn auch Shiffrin, zumindest zunächst, einfach unübersetzt geblieben wäre? Was wäre, würde sich der ORF-Sport generell die ohnedies oft holprigen Übersetzungen der in Englisch geführten Kurzinterviews sparen? Das wäre – schlicht und ergreifend – die Lösung! Diejenigen, deren Englisch gut genug ist, würden alles verstehen, ohne dass jemand reinredet. Und die, die sich vielleicht schwerer tun, würden mit der Zeit dazulernen. (Fritz Neumann)