Im Gastblog behandelt Rechtsanwältin Piroska Vargha die Frage, wie viel finanzielle Selbstständigkeit bei Einsetzung einer gesetzlichen Erwachsenenvertretung erhalten bleibt.

Ist eine Person aufgrund des Alters, einer psychischen Erkrankung oder einer vergleichbaren Beeinträchtigung in ihrer Entscheidungsfähigkeit eingeschränkt, so helfen in der Regel so lange wie möglich nahestehende Personen oder Pflegeeinrichtungen aus. Ist eine solche Unterstützung nicht möglich oder ausreichend, schreitet das Gericht zum Wohl der zu vertretenden Person ein und bestellt eine gerichtliche Erwachsenenvertretung, früher "Sachwalterschaft" genannt.

Wie kann vorgegangen werden, wenn die Erwachsenenvertretung das Taschengeld weitaus geringer ansetzt als von der vertretenen Person gewünscht?
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Der Umstand, dass ein Erwachsenenvertreter oder eine Erwachsenenvertreterin mit der Verwaltung des Vermögens und des Einkommens der vertretenen Person betraut ist, stellt gewiss eine große Einschränkung ihrer bisher gelebten Autonomie dar. Wer gewohnt war, ein selbstbestimmtes Leben zu führen, muss sich nun mit einer Situation arrangieren, in der man sich der Selbstständigkeit beraubt und im Extremfall als Bittsteller in Bezug auf die eigenen Mittel fühlt.

Um dies zu verhindern und die Lebensqualität und Würde der Menschen aufrechtzuerhalten, ist es essenziell, Personen, die eine Erwachsenenvertretung brauchen, dennoch weiterhin Handlungsspielräume zur Verfügung zu stellen, in denen sie autonom agieren können.

Bestmögliche Bewahrung der Selbstständigkeit

Zur Erhaltung der Autonomie ist der Erwachsenenvertreter oder die Erwachsenenvertreterin angehalten, dafür Sorge zu tragen, dass der vertretenen Person die notwendigen finanziellen Mittel zur freien Verfügung stehen, um Rechtsgeschäfte des täglichen Lebens abschließen zu können, soweit ihr Wohl dadurch nicht gefährdet ist. Dafür hat die Erwachsenenvertretung etwa das notwendige Bargeld zu überlassen oder den notwendigen Zugriff auf Zahlungskonten zu gewähren. Darunter fallen keinesfalls lediglich geringfügige Angelegenheiten, sondern es kann damit auch ein durchaus beträchtlicher finanzieller Aufwand verbunden sein.

Bei der Frage der Höhe der finanziellen Mittel wird die konkrete Lebenssituation miteinbezogen. Sofern es den bisher gewohnten und tatsächlich praktizierten Lebensverhältnissen der vertretenen Person entspricht, kann diese etwa selbst technische Geräte (Fernseher, Waschmaschine etc.) oder Einrichtungsgegenstände erwerben, Handwerker beauftragen, einen Urlaub buchen oder nahen Angehörigen Geldgeschenke machen. Der bisherige Lebensstil und die Lebensgewohnheiten sollen aufrechterhalten und die persönlichen Bedürfnisse so weit wie möglich vor noch so "gut gemeinter" Fremdbestimmung freigehalten werden.

Selbstverständlich muss der Erwachsenenvertreter bei der Zurverfügungstellung von Bargeld stets das Wohl der vertretenen Person im Auge behalten. Ob eine Gefährdung des Wohls vorliegt, orientiert sich zum Beispiel daran, ob die (beabsichtigten) Geldausgaben der vertretenen Person ihre eigenen Lebensverhältnisse übersteigen und dadurch die Befriedigung ihrer sonstigen Bedürfnisse gefährden könnten.

Die Wahrung des Wohls ist nicht bloß Aufgabe des Erwachsenenvertreters selbst. Alle Erwachsenenvertreter, die mit der Verwaltung von Einkommen und Vermögen einer Person betraut sind, stehen unter gerichtlicher Aufsicht. Ist das Wohl einer vertretenen Person gefährdet, so kann das Gericht – auf Ersuchen der betroffenen Person oder eines Erwachsenenvertreters, der sich absichern möchte – entsprechende Weisungen an den Erwachsenenvertreter erteilen.

Wer definiert die Bedürfnisse?

In einem jüngst entschiedenen Fall hat sich der Oberste Gerichtshof insbesondere mit der Frage auseinandergesetzt, ob die Beurteilung der "angemessenen Bedürfnisse" einer vertretenen Person und sohin die Festlegung der Höhe der zur Verfügung gestellten freien Mittel in die Entscheidungskompetenz des Gerichtes fallen oder lediglich eine nachträgliche gerichtliche Kontrolle in Betracht kommt.

Die in diesem Fall betroffene Person wurde von einem Erwachsenenvertreter so "kurzgehalten", dass die Vertretene ab Bestellung des Erwachsenenvertreters für längere Zeit keinen Cent zur eigenen freien Verfügung für das tägliche Leben erhielt. Die vertretene Person beantragte, das Gericht solle ihrem Erwachsenenvertreter auftragen, ihr monatlich 300 Euro zur Befriedigung ihrer persönlichen Bedürfnisse als "Taschengeld" zur freien Verfügung zu überlassen.

Das Erstgericht hat daraufhin den gerichtlichen Erwachsenenvertreter angewiesen, der vertretenen Person ein wöchentliches Taschengeld von 20 Euro zur rechnungsfreien Verwendung zukommen zu lassen – somit bedeutend weniger Geld, als die vertretene Person ursprünglich beantragt hatte. Das Erstgericht führte in seiner Entscheidung aus, dass ein monatliches Taschengeld in der Höhe von 300 Euro angesichts des Umstands, dass sich die vertretene Person lediglich ab und zu Getränke und Naschereien kaufen wolle, "bei weitem zu hoch" sei. Die vertretene Person verlasse ihr Haus mit Garten nicht, habe keine Hobbys und auch keinen Überblick über den wahren Wert des Geldes.

OGH: Wer entscheidet über die Höhe von Geldmitteln?

Die Rechtssache durchlief alle Instanzen und endete schlussendlich vor dem Obersten Gerichtshof. Die dort zu beleuchtende Frage war: Fällt die Beurteilung, welche Bedürfnisse eine vertretene Person hat, in die Entscheidungskompetenz eines Gerichtes? Der OGH hat dazu festgehalten, dass das Gericht, wenn das Wohl der vertretenen Person ansonsten gefährdet wäre, einer Erwachsenenvertretung sehr wohl Weisungen im Bereich der Verwendung des laufenden Einkommens erteilen kann. Im konkreten Fall lag eine Gefährdung wegen zu geringer überlassener Geldmittel vor, das Erstgericht sah aber – quasi am anderen Ende der Skala – auch eine mögliche Gefährdung darin, der Betroffenen zu viel Geld zu überlassen.

Der OGH erinnerte hier aber daran, dass es – neben dem Vermögen und dem laufenden Einkommen – eben auch entscheidend von den gesamten persönlichen (bisherigen) Lebensumständen der vertretenen Person abhänge, wie hoch der zu überlassende Betrag sei. Im vorliegenden Fall wurde seitens der Vorinstanzen nicht ausreichend dargelegt, worin die den persönlichen Lebensverhältnissen der konkreten Vertretenen angemessenen Bedürfnisse lägen, welche finanziellen Mittel für Rechtsgeschäfte des täglichen Lebens im Einzelnen notwendig seien und worin eigentlich die Gefährdung des Wohls der Betroffenen konkret bestünde, würde sie tatsächlich 300 Euro pro Monat als Taschengeld erhalten. Der Oberste Gerichtshof hob die auf nicht ausreichenden Sachverhaltsgrundlagen fußenden Entscheidungen der Vorinstanzen daher als "unumgänglich" auf.

Wie die Entscheidung veranschaulicht, möchte der Rechtsstaat mit dem 2017 eingeführten neuen Erwachsenenschutzrecht die Selbstbestimmung betroffener Menschen so lange und so umfassend wie möglich aufrechterhalten wissen. Der vertraute Alltag soll Personen, die in ihrer Entscheidungsfähigkeit durch die Bestellung eines Erwachsenenvertreters eingeschränkt sind, dennoch bestmöglich erhalten bleiben. Der Fall zeigt aber auch, dass es manchmal noch immer eines entschiedenen Auftretens, der Geduld und entsprechender Unterstützung bedarf, um diese Rechte auch einzufordern. (Piroska Vargha, 27.1.2023)