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In der Hälfte aller Fälle kann eine saisonale Depression mit Lichttherapie geheilt werden – allerdings nur, wenn man, nicht wie abgebildet, dabei die Augen geöffnet hat und hin und wieder direkt in das grelle Licht schaut.

Foto: Getty Images/Rocky89

Sie kennen das wahrscheinlich aus dem Umfeld: Wenn das Wetter so wie zuletzt tagelang grau in grau, kalt und ungemütlich ist, macht sich ein Stimmungstief breit. Ja, manche fühlen sich in der kalten, dunklen Jahreszeit vielleicht besonders wohl, genießen das Einmummeln zu Hause, aber vielen anderen schlägt der Winter auf die Stimmung – mal mehr, mal weniger. Einige finden vielleicht einfach alles ein bisserl mühsamer, ärgern sich über die frühe Dunkelheit, bei anderen wird der Leidensdruck immer größer und größer.

"Man merkt das dann schon, wenn man nicht mehr nur verärgert, sondern womöglich depressiv ist", ist sich Edda Winkler-Pjrek sicher. Sie ist Leiterin der Ambulanz für Herbst-Winter-Depression am AKH-Wien und weiß: "Circa zweieinhalb Prozent leiden an einer klinischen Depressionen, etwa 15 Prozent an einem Winterblues." In der Fachsprache ist das eine Sub-SAD, also eine noch nicht voll ausgeprägte Seasonal Affective Disorder.

Atypische Depression

Grundsätzlich ähnelt die Herbst- und Winterdepression einer klassischen Depression. Auch im ICD-10-Codex – jenem Diagnosenkatalog, nach dem medizinische Fachleute Diagnosen erstellen – gibt es für die Herbst-Winter-Depression keinen spezifischen Code. Die Krankheit wird als rezidivierende Depression klassifiziert. Es kann auch sein, dass man einen Winter davon betroffen ist, im nächsten nicht. Nur einen Unterschied beobachtet Winkler-Pjrek in der Praxis: Bei nicht saisonalen Depressionen entwickeln viele häufig den sogenannten melancholischen Typ, das heißt, sie schlafen und essen durch die Krankheit weniger. Bei Herbst- und Winterdepressionen kommen atypische Depressionstypen öfter vor, das heißt, Betroffene schlafen besonders viel und essen mehr, vor allem kohlenhydratreiche Nahrung.

Vitamin D hilft nicht ausreichend

In der Regel tritt die saisonale Depression von November bis März auf. Wann wie viele Menschen eine depressive Symptomatik entwickeln, ist auch vom Wetter abhängig, wobei sich erfahrungsgemäß im November die Fälle häufen. Um Weihnachten herum wird es wieder besser, bevor im Jänner und Februar wieder besonders viele betroffen sind. Danach geht es bergauf, berichtet Winkler-Pjrek: "Selbst wenn Betroffene sich nicht behandeln lassen würden, verschwindet die Herbst-Winter-Depression wieder, sobald die Tage länger werden." Das bedeutet auch: Es muss etwas mit dem Tageslicht zu tun haben, dass Menschen eine Herbst- und Winterdepression entwickeln.

Viele bringen deshalb auch einen Vitamin-D-Mangel mit der Winterdepression in Verbindung, aber die Studienlage ist nicht eindeutig. "Der Zusammenhang wäre logisch, und wir haben das auch untersucht, aber Vitamin D alleine hat leider keinen ausgeprägten antidepressiven Effekt", stellt Winkler-Pjrek klar. Trotzdem wird allen depressiven Patientinnen und Patienten mit einem Mangel an Vitamin D angeraten, diesen durch Substitution auszugleichen.

Die Expertin weiß, was stattdessen bei saisonaler Depression helfen kann:

  • Johanniskraut
    Die Pflanze mit den sattgelben Blüten wird schon lange als natürliches Heilmittel eingesetzt, hat sie doch einen nachweislich stark antidepressiven Effekt. Allerdings hat Johanniskraut auch viele Nebenwirkungen. "Vor allem kann es zu Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten kommen", erklärt Winkler-Pjrek. Vielen wird nach der Einnahme der Kapseln schlecht, sie bekommen Kopfweh, und vor allem Haut und Augen werden lichtempfindlicher. Es wäre also ratsam, nach der Einnahme von Johanniskraut die Sonne eher zu meiden, sagt die Expertin – aber genau das wäre in Hinblick auf saisonale Depressionen wieder kontraproduktiv: "Gerade im Winter, wo wir das Tageslicht als Zeitgebersignal für die Bildung von Botenstoffen brauchen, würde das Tragen einer Sonnenbrille genau in die verkehrte Richtung gehen."
  • Tageslichtlampen
    "Etwa die Hälfte aller Patientinnen und Patienten werden mit Lichttherapie und ohne den Einsatz von Medikamenten wieder gesund", berichtet die Expertin und meint damit qualitativ hochwertige Tageslichtlampen. Ein geeignetes Exemplar sollte bei einem Abstand von 50 bis 80 Zentimeter 10.000 Lux aufweisen. "Das kommt einem sehr hell und grell vor, aber nur dann hat man den vollen antidepressiven Effekt", sagt Winkler-Pjrek. Sie empfiehlt, täglich mindestens eine halbe Stunde davor zu sitzen und ab und an direkt ins Licht zu schauen.
  • Omega-3-Fettsäuren
    Es gibt bereits mehrere Studien, die zeigen, dass Omega-3-Fettsäuren einen vergleichbaren antidepressiven Effekt wie konventionelle Antidepressiva aufweisen. Das liegt daran, dass Omega-3-Fettsäuren im Körper Entzündungen reduzieren und – auch das zeigen Studien – Menschen eher zu Depressionen neigen, wenn sie hohe Entzündungswerte haben. "Wir haben dazu heuer eine Studie laufen (DER STANDARD berichtete), und wir hoffen, dass wir diese Wirkung auch bei saisonaler Depression bestätigen können", berichtet die Psychiaterin.
  • Bewegung und Frischluft
    Eines vorweg: Bei einer ausgeprägten Depression greifen solch gutgemeinte Tipps aus dem Umfeld zu kurz. "Wenn der Neurotransmittermangel so stark ist, kann man sich nicht mehr selbst motivieren", weiß Winkler-Pjrek. Aber wenn es Betroffenen noch möglich ist, empfiehlt sie unbedingt: "Bewegung und eine grüne Umgebung im Freien hat bei jeder Form der Depression einen positiven Effekt." Und vor allem die saisonale Depression sei eine Erkrankung, die stark durch die Alltagsgestaltung getriggert wird. Zu diesem Schluss kommt man auch bei einem Blick auf die Betroffenenzahlen: Junge Erwachsene und Menschen ab dem Pensionsalter haben deutlich seltener saisonal depressive Symptomatiken, weil, so Winkler-Pjrek, "sie ihr Leben viel besser nach den äußeren Umständen richten und bei Tageslicht öfter nach draußen können". Wohl auch aus diesem Grund gab es während der Lockdowns in den vergangenen Jahren signifikant weniger Fälle von Herbst- und Winterdepression. (Magdalena Pötsch, 30.1.2023)