Apple und Google arbeiten besser zusammen, als viele denken – das könnte sich aber ändern.

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Das Verhältnis zwischen Apple und Google ist ein ziemlich komplexes. Oberflächlich betrachtet erbitterte Gegner am Smartphone-Markt, sind sie doch in vielerlei Hinsicht voneinander abhängig. Nichts verdeutlicht diese Verstrickungen besser als ein nicht gar so kleines Detail: Jedes Jahr überweist Google irgendwo zwischen acht und zwölf Milliarden Dollar an Apple und erhält dafür im Gegenzug die Position als Standard-Suchmaschine auf allen iPhones.

Schwierige Argumentation

Das ist selbst für Apple eine durchaus relevante Größe, aber auch eine, die nicht so recht zum sonst so sorgfältig kuratierten Privatsphären-Image des Unternehmens passt. Immerhin steht es in einem gewissen Widerspruch, wenn Firmenchef Tim Cook auf der einen Seite regelmäßig über die Datensammelei von Google und Co schimpft und auf der anderen Seite jedes Jahr Milliarden einkassiert, die mithilfe exakt dieses gescholtenen Trackings gesammelt wurden.

Ein neuer Bericht legt nun aber nahe, dass die Apple-Chefetage dieses Verhältnis derzeit überdenkt. Der iPhone-Hersteller soll im Stillen seine Bemühungen intensiviert haben, um sich von Google unabhängig zu machen. Das Unternehmen befinde sich in einem "stillen Krieg" gegen seinen ungeliebten Partner, formuliert es ein ehemaliger Apple-Mitarbeiter gegenüber der Zeitung.

Alles dreht sich um die Suche

Die – zumindest für die Nutzer – wichtigste Front ist dabei die Suche. Demnach ist ein schlicht "Apple Search" genanntes Tool in Entwicklung, das darauf ausgelegt ist, jeden Tag mehrere Milliarden Suchanfragen abzuwickeln – womit es wohl ein direkter Ersatz für die Google-Suche wäre.

Wann – und ob – diese Apple-Suche je veröffentlicht wird, lässt der Artikel aber offen. Klar ist aber, dass Apple an sich kein Neuling in diesem Bereich ist. Bereits im Jahr 2013 wurde das Start-up Topsy Labs übernommen, das zuvor auf Suche und Analyse von Twitter-Inhalten spezialisiert war. Auf Basis dieser Technologie werden mittlerweile Anfragen via Siri oder auch die Spotlight-Suche am Mac abgewickelt.

Im Jahr 2019 wurde dann mit Laserlike noch eine weitere Firma aus diesem Bereich übernommen – dieses Mal eine, die sich vornehmlich aus ehemaligen Google-Mitarbeitern zusammensetzte.

Gut genug ist gut genug

Die entscheidende Frage ist dabei übrigens nicht, ob man eine bessere Suche als jene von Google liefern kann, sondern ob es gelingt, ein Produkt zu bauen, das "gut genug" ist, damit die iPhone-User nicht erst recht wieder alle auf Google zurückwechseln. Immerhin hätte man sonst einfach nur auf ein paar Milliarden Dollar an Einnahmen verzichtet.

Ein Wutanfall von Steve Jobs

Es wäre auch bei weitem nicht die erste direkte Attacke gegen zentrale Google-Dienste. Das berühmteste Beispiel hierfür ist sicherlich Apple Maps, das mehr oder weniger direkt aus der Wut von Apple-Gründer Steve Jobs entstanden ist.

Dieser fühlte sich von Google verraten, weil das Unternehmen mit Android ein eigenes Smartphone-Betriebssystem entwickelte, obwohl man beim iPhone-Start zunächst noch als enge Partner aufgetreten war. Jobs war damals dermaßen erbost, dass er wörtlich intern einen "thermonuklearen Krieg" gegen Google ausgerufen haben soll.

Komplexe Interessenlage

Sein Nachfolger Tim Cook schwenkte hingegen rasch auf ein deutlich pragmatischeres Verhältnis um. Dass dieses nun infrage gestellt wird, dürfte aber noch einen ganz anderen Grund haben, und das hat weniger mit dem Einsatz für die Privatsphäre als mit langfristigen finanziellen Interessen zu tun.

Hat doch Apple parallel zur Einführung seiner Anti-Tracking-Maßnahme "App Tracking Transparency" sein Werbegeschäft massiv ausgebaut. Das Unternehmen versucht sich angesichts abflachender Smartphone-Umsätze also ein weiteres Standbein aufzubauen, und das könnte die Kalkulation in Hinblick auf den Google-Deal natürlich drehen.

Ausbau

Ein Jobangebot aus dem Vorjahr zeigt jedenfalls, dass Apple im Werbebereich durchaus große Ambitionen hegt. Suchte man damals doch öffentlich nach jemandem, der die Entwicklung einer "Demand Side Platform" für Werbung aufbaut. Dabei handelt es sich um ein Tool, mit dem Werbende Inventar auf mehreren Werbemarktplätzen kaufen können. Diese Rolle wurde schlussendlich von einem ehemaligen Google- und Amazon-Manager übernommen.

Aus all dem schließt die "Financial Times", dass Apple die Art, wie Werbung auf dem iPhone ausgeliefert wird, grundlegend umkrempeln und vor allem noch stärker in die eigene Hand nehmen wird. Ein potenziell äußerst einträglicher Schritt für das Unternehmen, der öffentliche sicherlich mit dem Hinweis auf weniger Datensammelei als bei der Konkurrenz argumentiert wird.

Schlechte Nachricht für Google

Doch während solch ein Schritt für Apple nicht ohne Risiken ist, wären die Auswirkungen für den langjährigen Partner wohl noch negativer. Selbst wenn Google nur einen Teil der iPhone-User an eine Apple-Suche verlieren würde, würde sich das äußerst negativ auf die Werbeeinnahmen des Unternehmens auswirken.

Geht es bei der über die Suche verkauften Werbung doch um das Kerngeschäft von Google und vor allem eines, das von der ATT in keiner Weise berührt wird. Werden dabei doch keine Daten mit Dritten ausgetauscht, Suchwerbung orientiert sich meist vergleichsweise simpel an dem abgefragten Suchbegriff – und den schicken die Nutzer ja selbst direkt an Google. (Andreas Proschofsky, 26.1.2023)