Mikaela Shiffrin war nach ihrem zweiten Riesentorlauf-Sieg am Kronplatz innert 24 Stunden besonders ermattet – aus gutem Grund.

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"Wir haben durch die Regel einen Vorteil." Mit dieser Feststellung überraschte Elisabeth Görgl im Juli 2019 in einem Interview im Rahmen der Serie "STANDARD-Zyklus". Die Steirerin, zweimalige Weltmeisterin im Skifahren (Abfahrt und Super-G 2011 in Garmisch-Partenkirchen), plädierte bei Gelegenheit dafür, die Menstruation grundsätzlich positiv zu sehen. Es gehöre immer wieder ins Bewusstsein geholt, "dass die Regel natürlich ihren Sinn hat. Das ist von der Natur schon gescheit eingerichtet."

Selbstverständliches

Mikaela Shiffrin hat am Mittwoch nach dem zweiten Riesentorlauf-Sieg am Kronplatz in Italien ihre deutlich gezeigte Erschöpfung in einem ORF-Interview mit einer "ungünstigen Phase meines Monatszyklus" erklärt. Erst missglücktes Simultandolmetschen durch ORF-Kommentator Peter Brunner rückte ein Thema wieder ins Bewusstsein, das anzusprechen inzwischen für viele Sportlerinnen eine Selbstverständlichkeit ist.

Görgl, nach der Sportkarriere als Sängerin im Geschäft, fand es im Interview mit dem STANDARD "auch nicht verwerflich, weder für eine Sportlerin noch für einen Sportler, nach einer enttäuschenden Leistung zu sagen, dass man sich einfach nicht gut gefühlt hat. Es wird nicht jeder Sportlerin liegen, so plakativ auf die genaue Ursache einzugehen. Das muss jede für sich selbst entscheiden. Aber wenn es ab und zu eine anspricht, ist das sicher kein Schaden."

Problematik

Bei den Olympischen Spielen 2016 in Rio de Janeiro erklärte die chinesische Schwimmerin Fu Yuanhui einen missglückten Wettkampf mit Müdigkeit und Schmerzen infolge ihrer Periode. Die britische Tennisspielerin Heather Watson hatte ein Jahr zuvor ihr überraschendes Ausscheiden bei den Australian Open ebenfalls auf ihre Menstruation zurückgeführt.

"Ich wünschte, ich wäre ein Mann auf dem Platz und müsste das nicht durchmachen", brach es im Vorjahr aus Fus Landsfrau Zheng Qinwen heraus, nachdem sie im Achtelfinale der French Open im Tennis nicht zuletzt wegen starker Menstruationsbeschwerden verloren hatte.

Wenig später setzte sich die US-amerikanische Tennislegende Billie Jean King an die Spitze einer neuerlichen Initiative, den Dresscode beim Grand-Slam-Turnier in Wimbledon zu Fall zu bringen. Proteste gegen die Vorgabe für Spielerinnen, angefangen bei der Unterwäsche völlig in Weiß gewandet zu sein, hatten sich im vergangenen Sommer im All England Lawn Tennis and Croquet Club in einem Spruchband mit dem mehrdeutigen Slogan "About Bloody Time" ("Es wird verdammt noch mal Zeit") Bahn gebrochen. Tatsächlich ist den Frauen ab heuer nicht mehr weiße Kleidung vorgeschrieben. "Die Gesundheit der Frauen in den Vordergrund zu stellen und die Spielerinnen entsprechend ihren individuellen Bedürfnissen zu unterstützen ist uns sehr wichtig", hieß es in einer Stellungnahme der Veranstalter.

Lanze für Brunner

Im Sinne Görgls schon länger völlig offen geht die Schweizer Skiläuferin Michelle Gisin mit dem Thema um. "Der Zyklus sollte ein natürlicher Teil des Trainingsplans sein", schrieb die zweimalige Olympiasiegerin. Dass über dieses Thema im Skisport lange Zeit kaum gesprochen worden sei, könne nach Gisins Dafürhalten damit zu tun haben, dass die meisten Trainer und Betreuungspersonen männlich sind. Gisin zeigte sich aber auch fasziniert davon, "wie rasch das Thema enttabuisiert ist, wenn man beginnt, darüber zu sprechen".

So gesehen war Peter Brunners Lapsus am Kronplatz durchaus von Nutzen. Ernst Hausleitner, für den ORF in der Formel 1 und im Skiweltcup im Einsatz, brach eine Lanze für den nun vielfach geschmähten Kollegen. "Peter ist kein verkappter Mensch, der sich vor Themen wie dem Zyklus der Frau verschließt. Es handelt sich nicht um eine bewusste Aktion, auch ein mögliches Schamgefühl war nicht der Grund. Es war einfach ein Fehler." (Sigi Lützow, Lukas Zahrer, 26.1.2023)