Im Visier von ÖVP und Grünen: der pinke Vizebürgermeister und Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr.

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Wiens Opposition hat am Freitag im Rahmen eines Sondergemeinderats mit Neos-Stadtrat Christoph Wiederkehr abgerechnet. Dieser sei mit seinem "Skandalressort gescheitert", befand die ÖVP, die die Zusammenkunft beantragt hatte. Im Visier stehen etwa die Magistratsabteilung 35, das Defizit der Volkshochschulen, möglicher Missbrauch von Fördergeldern in Kindergärten oder der Lehrermangel. Ein Misstrauensantrag von ÖVP und Grüne erhielt nicht die nötige Zustimmung.

ÖVP-Klubchef Markus Wölbitsch trug die von der Opposition konstatierte Mängelliste zum Auftakt vor. Dabei zitierte er auch aus Beschwerden etwa von Eltern. Wölbitsch meinte auch, dass Wiederkehr von der SPÖ ein schweres Erbe übernommen habe. Die Neos hätten offenbar den kürzeren Strohhalm bei der Ressortvergabe gezogen.

FPÖ-Chef Dominik Nepp ortete ebenfalls eine "Kette an Versagen". Allerdings betreffe dies die gesamte Stadtregierung. Die ÖVP sei jedoch zu feig, einen Misstrauensantrag gegen Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) zu unterstützen.

Essenslieferungen durch Scheinunternehmen

Bereits zum zweiten Mal in dieser Woche beschäftigt der mutmaßliche Fördermittelmissbrauch durch den privaten Wiener Kindergartenverein Minibambini den Wiener Gemeinderat. Bürgermeister Ludwig musste bereits am Mittwoch im Rahmen einer dringlichen Anfrage der ÖVP zur Causa Stellung nehmen.

Anlass sind Auffälligkeiten, die der Stadtrechnungshof Mitte Jänner festgestellt hatte – DER STANDARD berichtete. Sie betreffen die Jahre 2019 bis 2021, von der MA 10 (Kindergärten) erhielt der Verein in diesem Zeitraum Förderungen in Höhe von 15,6 Millionen Euro. Die Prüferinnen und Prüfer kritisierten Essenslieferungen von später als Scheinunternehmen klassifizierten Baufirmen, hohe Barzahlungen sowie sogenannte Insichgeschäfte. Verkehrsstrafen seien aus Vereinsmitteln bezahlt worden, hieß es im Prüfbericht. Auch teure Autos, die vom Verein genutzt wurden, fielen auf: Zum Teil seien Fahrzeuge von Familienmitgliedern der Obfrau gekauft und vom Verein dann geleast worden. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Grüne: "Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte"

Der grüne Klubobmann David Ellensohn begründet den Misstrauensantrag so: Der "verheerende" Stadtrechnungshofbericht sei der Tropfen gewesen, der das Fass endgültig zum Überlaufen gebracht habe. "Dieser Bericht führt uns drastisch vor Augen, dass auf Neos auch in diesem Bereich kein Verlass ist, wenn es um Kontrolle und die Sicherstellung von Qualitätsstandards geht." Dazu komme eine lange Liste an weiteren Verfehlungen: Die Grünen führen etwa die Situation in der vielkritisierten MA 35 und "Kontrollversagen" rund um die städtischen Finanzhilfen für die Wien Energie im Sommer an.

Von "schweren Versäumnissen" in Wiederkehrs Ressort spricht auch ÖVP-Landesparteichef Karl Mahrer. Dem Neos-Politiker das Misstrauen auszusprechen sei die "einzig logische Folge". Dabei handelt es sich allerdings vor allem um einen symbolischen Akt: Die Mehrheit im Gemeinderat stellen SPÖ und Neos.

Staatsanwaltschaft eingeschaltet

Erst am Dienstag ging Wiederkehr in der Causa in die Offensive. Er kündigte eine "Aktion scharf" in Sachen Kindergartenkontrollen an. Private Träger sollen in diesem Jahr verstärkt unter die Lupe genommen werden, versprach er. In Reaktion auf den Stadtrechnungshofbericht wurde seitens des Rathauses zudem bereits die Staatsanwaltschaft eingeschaltet, die Rückforderung von Fördermitteln wird geprüft. Der Betreiberverein wehrt sich übrigens gegen die Vorwürfe: "Einzelne Kritikpunkte" seien medial "überzogen und bewusst falsch darstellt" worden, hieß es zuletzt in einer Stellungnahme. (Stefanie Rachbauer, red, APA, 27.1.2023)