Der Südsteirer musste sich in Graz vor Gericht wegen Kurpfuscherei verantworten. Er fühlte sich und agierte als Arzt.

APA/ Zehetleitner

Die Sache ist juristisch klar, medizinisch einigermaßen diffizil. Ein Arzt im südsteirischen Kitzeck genießt jahrelang und rundum große Beliebtheit. Auch der dortige Bürgermeister konsultiert ihn wegen seiner Knieprobleme.

In der Ordination hängen schön gerahmte Promotionsurkunden, Studienzertifikate in- und ausländischer Universitäten, ein Notarztkoffer steht herum, im Auto hängt das Schild "Arzt im Dienst". Er massiert Schmerzen weg, verabreicht Impfungen und Arzneien, schneidet Talgdrüsen auf, und plötzlich stellt sich heraus: Er ist gar kein Arzt. Deshalb saß der 62-Jährige am Montag in Graz im Anklagestuhl vor Gericht.

Die Staatsanwaltschaft listete dessen Vergehen auf: Kurpfuscherei, schwerer gewerbsmäßiger Betrug, Körperverletzung, Urkundenfälschung. Delikte, für die ihn das Schöffengericht schließlich zu 18 Monaten, davon sechs unbedingt – nicht rechtskräftig –, verurteilt.

Eigentlich wollte er ja Perückenmacher werden, hat die Ausbildung aber abgebrochen, weil es ihn, wie er der Richterin erklärt, zur Pflege und Medizin hingezogen habe. Begonnen hatte er als Behindertenbetreuer, dann hatte er es sogar zum Chef einer Betreuungseinrichtung gebracht.

Und jetzt sitzt er hier vor der Richterin, im mausgrauen Anzug, die Stimme gebrochen, und zeigt sich reuig. Die Diplome und Urkunden, das Arztequipment, alles habe er sich im Internet besorgt. Problemlos und für wenig Geld. "Warum", fragt die Richterin? "Ich weiß es nicht ... mein Ego ... vielleicht mein Minderwertigkeitskomplex", murmelt der Angeklagte.

Angefangen habe es im Familien- und Freundeskreis, und es habe sich bald herumgesprochen, dass die Massagen und kleinen Behandlungen "gut ankommen".

"Der is’ super"

Beim Fischen mit Freunden am Sulmsee habe er davon erfahren, erinnert sich ein älterer, etwas stämmiger weißhaariger Zeuge: "Der is’ super, hamm s’ gesagt." Er habe zu dieser Zeit mit dem Kreuz und dem Knie zu tun gehabt.

"Voll zufriedenstellend" habe ihm der vermeintliche Arzt anschließend geholfen. Auch bei seiner Talgdrüse am Rücken. Die sei trotz ärztlicher Behandlung nachgewachsen. Der Angeklagte habe sie ihm aufgeschnitten "und nix is’ mehr nachgewachsen". Die Richterin fragt: "Wollen S’ ein Schmerzensgeld?" Der Zeuge entgeistert: "Na, überhaupt ned. Im Gegenteil."

Böse Folgen hatten die Behandlungen allerdings laut Anklage für einen Rheumapatienten. Diesem seien Kochsalzinjektionen und Vitamin B12 injiziert worden, was nicht half. Es kam zu einer schweren Fehlbildung der Fingergelenke.

Einer Frau mit Depressionen soll er Antidepressiva "verordnet" haben, die diese überdosiert habe – mit schweren psychischen Folgen. Er habe ihr die korrekte Dosis vorgeschrieben, verteidigt sich der Angeklagte. Als es eng für ihn wurde, ging er 2020 selbst als Patient in die Klinik, mit Befunden eines Gehirntumors in Händen. Sie wurden jedoch sofort als Fälschungen erkannt.

Bereichert habe er sich nicht, schwört der Mann: "Ich wollte nur helfen." Seine Kunden ließen im Schnitt 20 bis 30 Euro liegen. Verlangt habe er nichts. Meist auch nichts oder wenig für die im Internet besorgten Medikamente. Die Staatsanwaltschaft beziffert den Schaden mit 57.500 Euro.

Der Bürgermeister von Kitzeck, Josef Fischer, ließ sich nach einem Skiunfall behandeln. "Ärzte haben mir zu einer Operation geraten, dann bin ich zu ihm, ein Versuch ist es wert, dachte ich mir", erinnert sich Fischer im STANDARD-Gespräch. Mit Akupunktur und Massagen habe er die Schmerzen wegbekommen. Im Ort sei er jedenfalls kein Buhmann. Er habe sich halt mit fremden Federn geschmückt, aber viele fänden, so auch er: "Schad’ irgendwie, dass er nix mehr macht." (Walter Müller, 26.1.2023)