Der Wiener Schauspieler Stefan Suske, der demnächst im Volkstheater zu sehen sein wird, ist ein Freund der nüchternen, aber poetischen Pragmatik. Diese findet man auch in seiner Wohnung im neunten Bezirk.

"Ich sitze hier in einem Multifunktionsmöbel von Nils Holger Moormann, das nur in einer sehr kleinen Auflage produziert wurde, weil es zwar wunderschön ist, und ich liebe dieses Möbelstück wirklich sehr, aber es ist ehrlich gesagt auch ein bisschen unpraktisch. Es trägt den Namen "Leseleben", ist Sofa, Regal, Bibliothek, Schubladenkommode und Schuh-Anzieh-Sitzbank zugleich und ist nicht sonderlich bequem, lange kann man darin nicht sitzen! Am liebsten nutze ich es zum Spielen, wenn mein achtjähriger Enkel Pablo zu Besuch ist. Er liebt dieses Ding. Ich denke, dieses Hybride und Unspezifische, das alles und nichts ermöglicht, passt gut zu mir. Auch ich bin multifunktional, aber nicht immer bequem.

Auf dem Möbel "Leseleben" von Nils Holger Moormann spielt Stefan Suskes Enkel Pablo sehr gerne.
Foto: Lisi Specht

Das 'Leseleben' ist übrigens nicht das einzige Moormann-Möbel, das ich habe. Meine Wohnung schaut schon fast aus wie ein Moormann-Schauraum, denn ich habe wirklich viele Möbel von ihm: Tische, Stühle, Regale, Stehpulte, einen Klapptisch in der Küche, einen Schreibtisch, diverse Aufbewahrungskisten und so weiter. Ich mag das Poetische und zugleich Karge, das Nüchterne und Pragmatische, das Anpassungsfähige, das Mobile. Als Schauspieler, der unter anderem in Wien, Graz und Bern gelebt hat und in diesen Städten diverse Male umgezogen ist, muss man ja flexibel und anpassungsfähig bleiben. Es gibt für uns keine örtliche Verwurzelung.

Ich bin zwar in Wien aufgewachsen und habe hier bis zu meinem 18. Lebensjahr gewohnt, bin aber erst vor acht Jahren wieder zurückgekehrt. Gefunden habe ich die Wohnung ganz altmodisch 2016 über einen Zettelaushang beim Spar gleich ums Eck – ein Zettelchen mit einer Telefonnummer zum Abreißen. Ich habe die Hausbesitzerin kontaktiert, bei der Besichtigung hat sich herausgestellt, dass sie ein paar Jahre vor mir in Graz Schauspiel studiert hat und wir aus dieser Zeit viele gemeinsame Bekannte haben. Ich habe die Wohnung sofort bekommen.

Stefan Suske nennt seine Wohnung einen "absoluten Glücksgriff", er hat Fenster in drei Himmelsrichtungen. An den Möbeln von Nils Holger Moormann mag er "das Poetische und zugleich Karge, das Nüchterne und Pragmatische".
Fotos: Lisi Specht

Die Wohnung ist ein absoluter Glücksgriff. Sie liegt im neunten Bezirk im Servitenviertel, hat 80 Quadratmeter und aufgrund des eigenartigen Grundrisses Fenster in drei Himmelsrichtungen, Blick ins Grüne, ruhiger Innenhof, nur das Bad musste neu verfliest werden. Im Corona-Lockdown hat sich die Hausgemeinschaft des damals eher verwahrlosten Innenhofs angenommen: Ein paar Mieterinnen und Mieter haben ihn gereinigt, stellenweise begrünt, Gemüsebeete angesetzt und einen schönen, gemütlichen Sitzbereich geschaffen.

Auch ich habe von der Corona-Pandemie in gewisser Weise profitiert. Ich beobachte gerne Menschen auf der Straße, im Café, im Sitzen, im Stehen, im Gehen, in der Bewegung durch die Stadt. Ich liebe diese kleinen Szenen und kurzen Momentaufnahmen, die unseren Alltag kennzeichnen. Im ersten Lockdown habe ich jeden Tag eine Skizze dieser täglichen Beobachtungen im Netz gemacht – und nach einem Jahr habe ich sie mithilfe meines Bruders als kleines Büchlein herausgegeben. Meine Corona-Therapie sozusagen.

Fotos: Lisi Specht

Ich mag diese Ruhe in meinem Leben – die akustische und auch visuelle Ruhe in meiner Wohnung, die Ruhe hier im Grätzel, die Ruhe und Abgeschiedenheit am Donaukanal, um meine Texte, die ich bereits memoriert habe, im Gehen nochmals zu üben und auszugestalten. Aktuell bin ich dort manchmal, wenn es nicht zu kalt ist, um mir Elfriede Jelineks In den Alpen und Fiston Mwanza Mujilas Nach den Alpen final einzuprägen. Ein Doppelabend über das Seilbahnunglück in Kaprun und die pervertierte Tourismusindustrie in Ischgl und Umgebung.

Mein Berufsleben als Schauspieler neigt sich vielleicht dem Ende zu, womit ich aber auf jeden Fall noch kokettiere: Ich interessiere mich sehr für Kunst- und Kulturgeschichte, für Religionswissenschaften und Philosophie, und vielleicht werde ich mich demnächst, nach meiner Pensionierung, auf die Uni hauen, um noch was Neues zu lernen." (PROTOKOLL: Wojciech Czaja, 30.1.2023)