Schweigsam gibt sich vor Gericht ein unbescholtener 17-Jähriger, der unter anderem Propagandavideos der Terrororganisation "Islamischer Staat" verbreitet hat.

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Wien – "Er ist innerhalb von drei Monaten via Internet zum radikalen Moslem geworden", erklärt Verteidiger Werner Tomanek dem Schöffengericht bezüglich seines heute 17 Jahre alten Mandanten. Dass Herr M. zum Islam konvertiert ist, ist natürlich nicht das Problem, dass er ein derart radikaler Anhänger der Terrororganisation "Islamischer Staat" wurde, dass er selbst in einschlägigen Moscheen "Lokalverbot" hatte, wie Tomanek ausführt, schon.

Er kenne M. schon seit der Geburt, sagt Tomanek, der wie der Vater des Angeklagten Anhänger eines großen Wiener Fußballklubs ist. Der 17-Jährige sei "ein verschlossenes Kerlchen", vor der Konvertierung Ende 2020 sei der Unbescholtene aber nie auffällig gewesen. Die erste Alarmmeldung sei aus der Schule gekommen, berichtet der Staatsanwalt in seinem Eröffnungsplädoyer: M. habe sich plötzlich geweigert, Lehrerinnen und Mitschülerinnen in die Augen zu sehen.

"Außergewöhnlich brutale Videos"

Es wurde schlimmer: Der Österreicher zeigte und versandte "außergewöhnlich brutale" Videos von Gefangenenermordungen durch die IS-Terroristen, glorifizierte den Attentäter vom 2. November und Mohammed M., einen verurteilten Wiener Terroristen und IS-Führungskraft, der 2018 in Syrien getötet worden sein soll. Im November 2021 wurde der Angeklagte der Schule verwiesen, nachdem er dort mit einem Butterfly-Messer hantiert hatte. Nachdem er erwischt worden war, als er an einer Brücke IS-Propaganda gesprayt hatte, wurde er im August festgenommen und sitzt seither in Untersuchungshaft.

Eine Zeitverzögerung, die der Verteidiger in seinen Eröffnungsworten kritisch kommentiert. "Der Fall ist ja nicht durch besonders akribische Ermittlungsarbeit des Landesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung aufgepoppt, sondern weil der Hiasl in der Schule mit einem Messer herumgefuchtelt hat", merkt Tomanek an. Was ihn auch wundert: Gegen M. wurde auch nach dem Vorfall in der Schule nie ein Waffenverbot ausgesprochen. Dennoch ist er sich sicher: "Das ist ein Lebensabschnitt, der vorüber ist."

Einschlägige Schreiben aus der Zelle

Der Angeklagte, bei dem neben dem Messer auch eine Machete sichergestellt wurde, bekennt sich schuldig, will sonst aber keine weiteren Aussagen tätigen. Was nicht unbedingt für ihn spricht: Selbst in der Untersuchungshaft schrieb er einem anderen wegen Terrorverdachts einsitzenden Häftling unter anderem: "keine Liebe zu schmutzigen Mushrikin ein Muslim sollte nur mit den Muslimen sein also lass keinen Kafir in deinen Freundeskreis hinein". Nebenbei zeichnete er in der Zelle noch Pistolen und Sturmgewehre.

Die psychiatrische Sachverständige Gabriele Wörgötter diagnostizierte bei M. eine Persönlichkeitsentwicklungsstörung und attestierte eine "sehr hohe Gefährlichkeit". Selbst die Bewährungshelferin des Teenagers schreibt in ihrem Bericht, eine "engmaschige Betreuung sei unbedingt notwendig".

Der Staatsanwalt bedauert in seinen Schlussworten das Schweigen des Angeklagten. "Bis jetzt ist nicht verständlich, warum er das macht", stellt er fest. Von einer Läuterung sei aber nichts zu sehen, ist der Ankläger überzeugt. "Ich habe versucht, Motivforschung zu betreiben – es kommt nichts zurück", verrät im Gegenzug der Verteidiger, dass auch er auf Tiefengestein aus Feldspat, Quarz und Glimmer gebissen hat. "Aber ich betrachte es als beendeten Abschnitt", gibt Tomanek sich zuversichtlich.

"Was ist das letzte Wort?", ist der Angeklagte dann verwirrt, als ihm die Senatsvorsitzende am Ende eben dieses erteilt. "Sie können sich den Worten Ihres Verteidigers anschließen oder selbst noch etwas sagen, bevor wir ein Urteil fällen", erklärt ihm die Richterin. "Es tut mir leid, ich werde es nicht wieder machen", sagt M. leise.

Teilbedingte Haftstrafe

Nach kurzer Beratung wird die rechtskräftige Entscheidung verkündet: 21 Monate Haft, sieben davon unbedingt. Zusätzlich werden dem 17-Jährigen die Weisungen erteilt, weiter Bewährungshilfe in Anspruch zu nehmen, den Deradikalisierungverein Derad zu besuchen und eine Psychotherapie zu absolvieren. Damit muss er noch ein weiteres Monat im Gefängnis bleiben, aus spezialpräventiven Gründen sieht der Senat keine Möglichkeit einer bedingten Entlassung. "Ich sehe keine große Läuterung", pflichtet die Vorsitzende in ihrer Begründung dem Staatsanwalt bei. "Und wenn Sie so weitermachen wie bisher, kommen Sie sehr, sehr schnell wieder hierher", warnt sie M. noch, ehe er zurück in die Justizanstalt gebracht wird. (Michael Möseneder, 27.1.2023)