Das Jahr ist noch jung, und doch gibt es schon frische Indie-Games – und ein paar, die noch Ende letzten Jahres erschienen und im hektischen Jahresendspurt den traditionellen Jahresbestenlisten zum Opfer gefallen sind. Dafür bekommen sie jetzt die ihnen zustehende Aufmerksamkeit, wenn die traditionelle Gamesflaute nach dem Feiertagsfeuerwerk am Jahresende am schlimmsten ist.

Adventures, Rollenspiele, Strategie, Puzzles und schräger Horror: Die folgenden acht Indie-Games sorgen für einen verspielten Start ins neue Jahr.

TrampolineTales

Luck be a Landlord

store.steampowered.com/app/1404850/Luck_be_a_Landlord

(Windows, Mac, Linux, 9,50 Euro)

Sieht aus wie ein einarmiger Bandit, aktiviert im Gehirn dieselben Endorphinausstöße wie ein einarmiger Bandit, und ist doch etwas anderes: Wer im Game "Luck Be A Landlord", vor kurzem final aus dem Early Access entlassen, am Rad dreht, wartet zwar durchaus auch schon mal ein paar flugs vergehende Stunden lang mit glasigen Augen darauf, dass die richtigen Symbole kommen, aber welche das sind, darf man strategisch mitbestimmen.

Das auf Deutsch seltsamerweise "Mieter-Fortuna" genannte Spiel ist eigentlich ein Deckbuilding-Game, in dem es auf den Pool an Möglichkeiten und deren Synergien ankommt. Dreh für Dreh muss hier am Verdienen der sich stetig erhöhenden Miete gearbeitet werden, der satirisch-antikapitalistische Touch ist aber nur Oberfläche, darunter liegt ein verblüffend komplexes Casual-Game, von dem man schwer die Finger lassen kann.

Chained Echoes

Chained Echoes

www.chainedechoes.com

(Windows, Mac, Linux, Xbox, PS4/5, Nintendo Switch um 24,99 Euro)

JRPGs, also japanische Rollenspiele wie "Final Fantasy", "Dragon Quest", "Persona" & Co leben von der Wiederholung und vom Grinding, also dem zeitaufwendigen Immer-wieder-Abklappern von Kämpfen und Missionen, um sich für starke Bosse zu stählen. Das vom deutschen Einzelentwickler Matthias Linda gestaltete "Chained Echoes" macht Schluss mit dieser Zeitvernichtung und gestaltet sein Debütspiel als nostalgisches, aber zugleich radikal schlankes Rollenspiel.

Die Story ist episch und bietet interessante Charaktere und Wendungen, die Rundenkämpfe sind originell gestaltet und die Progression im Spiel ist nicht vom Sitzfleisch abhängig: Ein so spielerfreundliches JRPG hat man selten gesehen. Das Game aus Deutschland hat sich schon Ende letzten Jahres als Geheimtipp nicht nur für Genrefans herausgestellt.

Cultic Games

Cats and the Other Lives

catsvideogame.com

(Windows, 19,50 Euro)

Als dicker oranger Zimmertiger wandert man im originellen Point-and-Click-Abenteuer "Cats and the Other Lives" durch ein seltsames Familiendrama: Der Patriarch ist gestorben, und anlässlich seines Todes versammelt sich die seltsame und neurotische Familie Mason und lässt alte Familienrivalitäten und -geheimnisse neu aufleben. Ein bisschen gruselig wird es auch im heruntergekommenen Herrenhaus.

Die Katzenrolle hat Vor- und Nachteile: Als unauffälliger Lauscher ist man Zeuge so einiger verfänglicher Situationen, die Licht ins Familienmysterium bringen, andererseits muss man immer wieder mal maunzend drauf warten, dass einem endlich mal jemand die Tür öffnet. Das Spiel eines türkischen Indie-Studios ist durch seinen Protagonisten originell und überaus hübsch gestaltet, Katzenfreundinnen und –freunde mit Englischkenntnissen wird’s freuen.

Lemaitre Bros

Babbdi

store.steampowered.com/app/2240530/BABBDI

(Windows, kostenlos)

Das kleine, kostenlose First-Person-Game "Babbdi" ist recht speziell: Was auf den ersten Blick aussieht wie ein ereignisarmer Walking-Simulator, ist eigentlich eine ziemlich skurrile Physik-Sandkiste, in der man sich in einer minimalistischen, aber dennoch atmosphärisch beeindruckenden Betonstadt mit bedrückender Architektur wiederfindet. Gekämpft wird hier nicht, auch richtige Puzzles sucht man vergebens.

Zu tun gibt es trotzdem einiges, entweder in Form von lakonischen Aufträgen der schrägen Stadtbewohner oder aber im Abarbeiten der nicht weniger eigentümlichen Achievements-Liste im Menü. Den höchsten Punkt der Stadt etwa erreicht man hier nur durch den Einsatz ungewöhnlicher Hilfsmittel, etwa eines Laubbläsers – wer’s noch minimalistischer mag, kann sich auch einfach in den Häuserschluchten am einsamen Ton einer Trompete erfreuen. Schräg, unterhaltsam – und vor allem gratis.

GameTrailers

Children of Silentown

childrenofsilentown.com

(Windwos, PS4, Xbox, Nintendo Switch, 19,99 Euro)

Klassische Point&Click-Adventures waren nie ganz weg, mit der Rückkehr nach Monkey Island hat das Genre nochmal frischen Rückenwind bekommen. Das düster-niedliche "Children of Silentown" wird von den deutschen Adventure-Spezialisten Daedalic vertrieben, entwickelt wurde das überaus hübsche Game aber vom italienischen Indiestudio Elf Games.

Als tapferes Mädchen Lucy ist man im gelungenen Zeichentrick-Look, der an Tim Burton oder Edward Goreys Illustrationen erinnert, einem düsteren Geheimnis auf der Spur: Was ist im verbotenen Wald rund um das Dorf wirklich los? Nette Rätsel und Minigames und eine faszinierende Story machen "Children of Silentown" zu einem gelungenen Abenteuer mit toller Präsentation.

Two Star

ChooChoo Charles

store.steampowered.com/app/1766740/ChooChoo_Charles/

(Windows, 19,50 Euro)

Videospielmonster gibt es viele, so eins hat man aber noch nie gesehen: Der grotesk-grauenhafte Spinnenzug Choo Choo Charles ist mit seiner grinsenden Fratze und seinem rasanten Gekrabbel nicht nur für Arachnophobiker ein ziemlicher Albtraum. Das gleichnamige Videospiel ist ein gelungener Action-Happen, in dem man seine eigene Lokomotive nach und nach zum Kampf mit dem Ungetüm hochrüstet.

Das Minibudget des Solo-Entwicklers sieht man dem Spiel an seiner relativ kurzen Dauer und grafischen Einschränkungen an, in Sachen Atmosphäre und Horror zwischen Ernst und schwarzem Humor ist das Quasi-Open-World-Spiel "Choo Choo Charles" aber überraschend solide und ein spaßig-gruseliges Erlebnis mit einzigartigem Bösewicht.

PixelCount Studios

Kynseed

kynseed.com

(Windows, 24,99 Euro)

Wer sagt, dass es keine gute Idee ist, "Stardew Valley", "Moonlighter", "Harvest Moon", "Cooking Mama" und eine ganze Menge "Fable" in den Games-Mixer zu werfen und zu etwas Neuem zusammenzushreddern? "Kynseed" macht genau das. Seine Entwickler haben ihre ersten Arbeitsjahre bei den großen Lionhead Studios unter Peter Molyneux verbracht und dort an – Zitat – "jedem" der legendären Spiele des Kultstudios mitgewirkt. "Kynseed" ist fast so ambitioniert wie diese, vor allem aber bietet es wie die besten Life- und Farmingsims schier unerschöpfliche Beschäftigung im knuddeligen Pixel-Look.

Eine Farm bestellen, die Spielwelt erforschen, Fischen gehen, Monster bekämpfen, heiraten, einen Shop betreiben, kochen, seine Familie pflegen und seine Talente an den Nachwuchs weitergeben: "Kynseed" ist eine wahre Wundertüte an Spielsystemen samt gelungenen Minigames, die ihren Spielerinnen und Spielern recht viel Freiraum lässt, wie sie ihr pixeliges Leben gestalten wollen. In manchen Ecken kracht und grammelt es noch ein bisschen, doch die Macher patchen und bugfixen auch nach Erreichen der 1.0 weiter.

Brace Yourself Games

Industries of Titan

braceyourselfgames.com/industries-of-titan

(Windows, 27,99 Euro)

Das bildhübsche Aufbaugame im Pixel-Look ist seit fast drei Jahren im Early Access, am 31.1. steht der finale Launch an: "Industries of Titan" versetzt sein Publikum auf den Saturnmond Titan, wo SF-Raubtierkapitalismus an der Tagesordnung ist. Die Mischung aus industrieller Städtebausimulation und Strategiespiel setzt nicht nur auf Logistik und Wirtschaftssimulation, sondern vor allem auch auf direkten Konflikt mit ebenso skrupellosen konkurrierenden Konzernen – in diesen Wirtschaftskriegen wird nämlich auch mal scharf geschossen.

Nach einem Early-Access-Start im Epic Games Store hat das Spiel seit 2022 auch auf Steam sein Publikum gefunden, die Entwickler waren übrigens zuvor mit dem Rhythmus-Rogue-like "Crypt of the Necrodancer" in einem ganz anderen Genre erfolgreich. Dementsprechend ist auch "Industries of Titan" in Sachen Strategie und Spieltiefe ein wenig leichtgewichtiger als die hochkarätige Aufbaukonkurrenz; dank toller Präsentation und bösem Humor nimmt man das dem Spiel nicht allzu übel. (Rainer Sigl, 29.1.2023)