Auf den letzten Metern gibt die Volkspartei Niederösterreich noch einmal alles, um ihre Verluste möglichst gering zu halten.

Foto: apa / helmut fohringer

Drei Wochen sind kurz für einen Wahlkampf. Und doch haben die niederösterreichischen Parteien in der Zeit zwischen dem Ende der Weihnachtsferien und dem Wahltermin am Sonntag für allerhand Aufregung gesorgt. Ein Überblick, worum es ging – und was nach der Landtagswahl zu erwarten ist.

Die Themen

Im Wahlkampffinale zeichnete vor allem die Volkspartei ein (unwahrscheinliches) Schreckensszenario, das ihre Anhängerinnen und Anhänger mobilisieren sollte: Rot-Blau. Die Spitzenkandidaten von SPÖ und FPÖ stellen auch selbst jeweils den Anspruch, nach der Wahl Landeshauptmann zu werden – und Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) von der politischen Bühne zu schicken. Argumentiert wurde das auch mit dem ORF-Niederösterreich-Skandal rund um den Vorwurf der Einflussnahme auf Landesstudio-Direktor Robert Ziegler.

Sachpolitisch kam das Thema Teuerung immer wieder auf. Mikl-Leitner verwies auf schon im Vorjahr beschlossene Antiteuerungspakete, SPÖ und FPÖ war das zu wenig, den Neos zu pauschal. In der Klimadebatte wollte sich niemand außer den Grünen für Tempo 100 auf Autobahnen aussprechen – den öffentlichen Verkehr auszubauen war aber Konsens. Das Proporzsystem, das alle größeren Parteien automatisch in die Landesregierung befördert, wird wohl erhalten bleiben: ÖVP, SPÖ und FPÖ profitieren davon und wollen daran festhalten.

Die Skurrilitäten

Eigenartig war etwa ein für Funktionäre gedachtes Video von ÖVP-Landesgeschäftsführer Bernhard Ebner. Im Stil der 1990er-Jahre-Sitcom Hör mal, wer da hämmert erklärte er Kolleginnen und Kollegen, wie man – wie er findet – bodenständige Wahlwerbung macht.

Volkspartei Niederösterreich

Beim offiziellen Wahlkampfauftakt der Volkspartei wurde es dann ernst, sehr ernst. "Es steht viel auf dem Spiel. Sehr viel", erklärte Mikl-Leitner beim schwarzen Wahlkampfstart auf der Bühne, die Stimme gedämpft und getragen, untermalt mit dramatischer Musik.

Unbeholfen mutete auch eine Aktion der SPÖ an: Nach ihrer Plakatpräsentation verbreiteten die Landessozialdemokraten online ein zusätzliches Sujet, das Spitzenkandidat Franz Schnabl als den "roten Hanni" bewarb, angelehnt an den Spitznamen der Landeshauptfrau. Einige Tage später lud Schnabl zu einer "persönlichen Erklärung" – der Code für einen Rücktritt. Er klärte dann jedoch nur darüber auf, dass das "Hanni"-Sujet "nicht echt" gewesen sei, weil es nicht gedruckt wurde. Und dass man zu besonderen Mitteln greifen müsse, um in den Medien vorzukommen.

Die Folgen im Land ...

Eines steht so gut wie fest: Niederösterreichs politische Landschaft wird sich fundamental verändern. Die ÖVP verliert mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ihre absolute Mehrheit. Das wird Kompromisse erfordern – und das ist die einst so mächtige Landespartei nicht gewohnt. Niederösterreich wird wohl um einige Nuancen weniger schwarz sein nach dieser Wahl. Noch drastischer fällt der Wandel aus, sollte die Volkspartei auch ihre Mehrheit in der Landesregierung verlieren. Bisher konnte die ÖVP zahlreiche Vorhaben allein beschließen. Auch die Zuständigkeiten innerhalb der Landesregierung werden neu verteilt. Dass künftig SPÖ oder FPÖ den Landeshauptmann stellen könnten, ist aber unwahrscheinlich.

Spannend wird es für die Kleinparteien Neos und Grüne: Nur ein paar Prozentpunkte mehr würden ihnen jeweils ein viertes Mandat und damit den finanziell und machtpolitisch wichtigen Klubstatus bescheren. Ein (überraschender) deutlicher Zuwachs könnte sogar die Möglichkeit eines Postens in der Landesregierung bedeuten. Gleichzeitig gilt: Fällt eine der Parteien unter die Vier-Prozent-Hürde, verfehlt sie den Einzug in den Landtag.

... und im Bund

Landtagswahlen sind Landtagswahlen, hört man oft, wenn es um mögliche Auswirkungen von Regionalwahlen auf die Bundespolitik geht. Soll heißen: Das eine habe mit dem anderen nichts zu tun. Insbesondere bei Wahlen in Niederösterreich und Wien stimmt das so pauschal aber sicher nicht. Sie werden auch innerhalb der Parteien von vielen als Gradmesser wahrgenommen. Verliert eine Landesgruppe, suchen Landespolitiker die Schuld gerne bei der Bundespartei.

Aktuell geht kaum jemand davon aus, dass ÖVP-Obmann Karl Nehammer nach dieser Wahl um seinen Job fürchten muss.
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Anders als vor einigen Monaten noch von manchen prognostiziert, geht derzeit kaum jemand davon aus, dass ÖVP-Obmann und Kanzler Karl Nehammer nach dieser Wahl um seinen Job fürchten muss. Sollte die ÖVP Niederösterreich jedoch tatsächlich die Mehrheit in der Landesregierung verlieren, wird das in der gesamten Volkspartei für Aufregung sorgen – auf die wohl auch in Wien reagiert werden muss.

Heftige innerparteiliche Verwerfungen erwarten viele Sozialdemokraten, sollte die FPÖ in Niederösterreich an der SPÖ vorbeiziehen – schließlich sei die Themenlage für die Sozialdemokratie derzeit eigentlich enorm günstig. Einige in der Partei rechnen damit, dass auf Bundesebene erneut eine Vorsitzdebatte ausbrechen könnte – zumindest, nachdem Anfang März dann auch die Landtagswahl in Kärnten geschlagen ist. (Sebastian Fellner, Katharina Mittelstaedt, 28.1.2023)