Justizministerin Alma Zadić zu Kostenersatz bei Freisprüchen: "Je nachdem, wie man so einen Kostenersatz gestaltet, werden die Summen sich in einem dreistelligen Millionenbereich bewegen. Im Zuge der Verhandlungen zur Generalstaatsanwaltschaft werden wir auch dieses Thema mit der ÖVP besprechen."

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Justizministerin Alma Zadić ist im Stress: Sie ist gerade beim EU-Rat der Justizminister in Schweden. Zwischen zwei Meetings erwischt sie DER STANDARD am Telefon, um sie nach dem Kinderschutzpaket zu fragen, das wie eine direkte Reaktion auf den Fall Florian Teichtmeister wirkt. Der Schauspieler soll zehntausende Darstellungen von Kindesmissbrauch besessen und das gestanden haben – ein Fall, der auch Zadić bewegt.

STANDARD: Eine gängige Definition für Anlassgesetzgebung ist, dass sie überstürzt und unsystematisch erfolgt, um öffentliche Empörung zu mindern. Ist das nicht genau jetzt der Fall?

Zadić: Das ist so nicht richtig, wir arbeiten seit dem Sommer an diesem Paket. Kinderschutzorganisationen fordern seit Jahren, dass Kinderschutzkonzepte etabliert werden. Auch der Opferschutz wird verbessert.

STANDARD: Aber Sie greifen auch ins Strafrecht ein, wollen höhere Strafen einführen.

Zadić: Wir haben den Straftatbestand erweitert, Strafen erhöht und Qualifizierungen eingebaut. Der Strafrahmen erhöht sich also, wenn viele Bilder gefunden werden, und zusätzlich, wenn es sehr junge Kinder betrifft. Dadurch entsprechen Strafen eher dem Unrechtsgehalt der Tat.

STANDARD: Experten meinen, höhere Strafen tragen nicht zur Prävention bei. Laut Kanzler geht es auch um Sanktionen. Wie sehen Sie das?

Zadić: Alle Experten, die ich gehört habe, sagen, Strafen alleine reichen nicht aus. Deswegen setzen wir auf Prävention, Sanktion und Opferschutz. Wichtig ist aber, dass Täter fürchten, ausgeforscht werden zu können. Da wird es aus dem Bereich des Innenministeriums verstärkte Ressourcen gegen Cyberkriminalität geben. Es soll eine Software angekauft werden, mit der solche Fotos ausgewertet werden können. Es ist also verkürzt, das Paket auf höhere Strafen zu reduzieren, diese sind nur ein Baustein. Aber ich halte auch die für richtig.

STANDARD: Im Jahr 2021 war rund die Hälfte der Tatverdächtigen in diesem Deliktbereich selbst minderjährig. Wie will man damit umgehen? Ist es strafbar, wenn ein 17-Jähriger einvernehmlich Nacktfotos von seiner 16-jährigen Freundin macht oder besitzt?

Zadić: Das ist auch jetzt nicht strafbar. Der Grundtatbestand bleibt der gleiche. Natürlich wird der Unrechtsgehalt der Tat berücksichtigt werden, deshalb gibt es jetzt ja auch Qualifikationen und damit verbunden höhere Strafen, um hier differenzieren zu können.

STANDARD: Es gab Diskussionen, wann welche Arbeitgeber über Ermittlungen gegen Mitarbeiter informiert werden. Bei Bildungseinrichtungen ist das klar, sonst blieben Sie hier vage.

Zadić: Wir haben das jetzt tatsächlich noch nicht so genau festgelegt, weil ich mir das noch im Detail mit Expertinnen und Experten anschauen möchte. Diese Gespräche werden wir in den nächsten Wochen führen.

STANDARD: Verfassungsrichter Michael Rami wurde kritisiert, weil er als Medienanwalt für Florian Teichtmeister tätig ist. Wenn Sie Verteidigerin wären, würden Sie Beschuldigte in diesen Deliktgruppen vertreten?

Zadić: Ich möchte mich hier nicht zu hypothetischen Aussagen hinreißen lassen. Ich fand Ramis Aussage, es habe sich um ein "rein digitales Delikt" gehandelt, verharmlosend. Es steht im Hintergrund immer ein Kind, das missbraucht wurde. Deshalb möchte ich auch die Sprache im Gesetz ändern. Es geht nicht um Kinderpornografie, weil kein Kind hat hier zugestimmt, sondern es geht um die Darstellung von Kindesmissbrauch.

STANDARD: Ein weiteres Thema ist wieder einmal die WKStA. Nach 31 Freisprüchen in seiner Causa und Fehlern in der Anklage gegen ihn fragte Ihr Ex-Parteifreund Christoph Chorherr, wo die Aufsicht gewesen sei. Wo war sie denn?

Zadić: Ich bin immer bereit, Verbesserungsmöglichkeiten zu überlegen. Schon vor einiger Zeit haben wir eine Evaluierung der Großverfahren in Auftrag gegeben, die Ergebnisse werden demnächst da sein.

STANDARD: Gibt es denn aus Ihrer Sicht Probleme bei der Fachaufsicht?

Zadić: Erinnern wir uns an die Zeit vor meiner Amtszeit. Da gab es den Verdacht, dass Verfahren "derschlagen" wurden und dass es "Störfeuer" rund um Ermittlungen gab. Ich habe seither strukturell viel verändert und auch mehr Planstellen für Richterschaft und Staatsanwälte herausverhandelt. Nichtsdestotrotz: Wo Menschen arbeiten, passieren Fehler. Ein wichtiger Schritt wird jedenfalls die Einführung einer Generalstaatsanwaltschaft.

STANDARD: Wie kann man sich die türkis-grünen Verhandlungen rund um die Generalstaatsanwaltschaft vorstellen?

Zadić: Ich arbeite gut und vertrauensvoll mit Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) zusammen. Ich weiß, dass auch sie sehr bemüht ist, eine Einigung zu erzielen. Aber natürlich wäre das eine umfassende Justizreform, und die muss sorgsam und sorgfältig gemacht werden. Wir wollen ein System, das besser als jetzt ist.

STANDARD: Es ist nahezu Konsens, dass der Kostenersatz bei Freisprüchen erhöht werden muss oder es einen solchen bei Verfahrenseinstellungen geben muss. Kommt das?

Zadić: Ich bin da durchaus gesprächsbereit, es wird letztlich am Finanzminister liegen. Je nachdem, wie man so einen Kostenersatz gestaltet, werden die Summen sich in einem dreistelligen Millionenbereich bewegen. Im Zuge der Verhandlungen zur Generalstaatsanwaltschaft werden wir auch dieses Thema mit der ÖVP besprechen.

STANDARD: Die WKStA hat zuletzt die Idee eines eigenen Korruptionsgerichtshofs ins Spiel gebracht. Wie sehen Sie diesen Vorschlag?

Zadić: Es ist ein interessanter Denkanstoß, der nicht neu ist. Wir müssen uns diese Änderungen im Rechtssystem sehr genau anschauen, es gibt bei diesem Vorschlag, der ja erstmalig vom Präsidenten des Wiener Landesgerichts geäußert wurde, auch verfassungsrechtliche Bedenken. (Fabian Schmid, 26.1.2023)