Ist als für Finanzen zuständiger Vizepräsident des Weltverbands kein Grüßaugust: Trattner.

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Begründet die Top-Förderung des Rodelverbands mit dessen Erfolgen bei Großevents: Kogler.

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"Um künftig jeden Anschein einer Befangenheit zu vermeiden, hat Sektionschef Trattner den Internationalen Rodelverband darüber informiert, dass er seine Funktion ehestmöglich zurücklegen wird."

Diese Geschichte beginnt mit ihrem Ende. Mit einer Antwort, die Sportminister Werner Kogler (Grüne) dem STANDARD auf dessen Anfrage zukommen ließ. Der angekündigte Rückzug Philipp Trattners, der im Ministerium des Vizekanzlers von Koglers Vorvorgänger Heinz-Christian Strache (FPÖ) installiert worden war und die Sektion Sport leitet, bedeutet das Aus einer seit Monaten laufenden Doppelgleisigkeit. Die Funktion, die der Tiroler "ehestmöglich" niederlegt, ist jene des für Finanzen zuständigen Vizepräsidenten im internationalen Rodelverband (FIL). In dieses Amt hatte sich Trattner beim 70. FIL-Kongress am 18./19. Juni 2022 in Hall/Tirol wählen lassen.

Auf den Gedanken, die Ausübung der FIL-Funktion und der wichtigste Posten im heimischen Sport könnten unvereinbar sein, waren zunächst weder Trattner noch Kogler gekommen – so Kogler selbst denn davon wusste. Laut Auskunft des Ministeriums hatte Trattner "das Kabinett des Bundesministers informell über die Übernahme einer ehrenamtlichen Funktion in der FIL informiert. Eine offizielle Meldung erging nicht, die Übernahme einer ehrenamtlichen Funktion ist gegenüber dem Dienstgeber allerdings auch nicht meldepflichtig."

Franz Fiedlers Kritik

Der frühere Rechnungshofpräsident und Ehrenpräsident von Transparency International, Franz Fiedler, spricht so oder so von einer "ganz schlechten Optik". Obwohl die Sache "im Bereich des Straflosen liegen mag, ist es sehr bedauerlich, dass das ,G’hört si‘, wie man in Wien sagt, nicht erkannt wird, dass es dieses Gespür für Anstand nicht gibt", sagt Fiedler dem STANDARD.

Dass der internationale und Österreichs Verband auch geschäftliche Beziehungen pflegen, liegt auf der Hand. Ein "für Finanzen zuständiger Vizepräsident" ist kein Grüßaugust. Die FIL vergibt Großevents, für die sich auch Österreich bewirbt. Der ÖRV schildert die FIL auf seiner Homepage als "Subventionsgeber" aus – übrigens gleich nach dem Sportministerium, dem Land Tirol oder der Stadt Innsbruck. Auch in den ÖRV-Statuten (§3, 2a) heißt es, "die erforderlichen finanziellen Mittel" würden nicht zuletzt "durch Subventionen und Förderungen aufgebracht".

Markus Procks Vorschlag

Die Welt ist klein, und die FIL sitzt in Österreich, genauer gesagt in Wals-Siezenheim, in der Red-Bull-Arena. Markus Prock (58), der einer der ersten Red-Bull-Topsportler, zehnmal Weltcupsieger, zweimal Weltmeister und zweimal Olympiazweiter im Rennrodel-Einsitzer war, steht seit 2018 dem heimischen Rodelverband als Präsident vor. Prock hat Trattner als FIL-Vize vorgeschlagen. "Philipp hat das Okay vom Ministerium bekommen", sagt Prock dem STANDARD, "und er kennt sich im Rodeln aus." Schließlich sei der Sohn des ÖBB-Holding-AG-Aufsichtsratvorsitzenden und Ex-FPÖ-Bundesgeschäftsführers Gilbert Trattner schon 2008 bis 2014 für den ÖRV in den Bereichen Pressearbeit, Organisation und Konditionstraining tätig gewesen.

Die Sportberichte 2020 und 2021 mit detaillierten Daten zur Förderung sind auf der Homepage des Ministeriums einzusehen. Aus ihnen geht hervor, dass der Rodelverband herausragend gut mit Steuermitteln unterstützt wird. Das betrifft einerseits Fördergelder, die von der Bundes Sport GmbH (BSG), einer vom Ministerium installierten Einrichtung, verteilt werden. Andererseits auch Mittel, die das Ministerium direkt vergibt. Und es wird detailliert aufgelistet, auf welche Posten die Fördermittel entfallen. Summiert man die Punkte "Personal Sportmanagement", "Personal Verbandsmanagement" und "Infrastruktur Verbandsmanagement", so hat der Rodelverband dafür über die zwei Jahre – den Fußballbund ausgenommen – mehr als alle anderen Verbände lukriert. Allein auf "Personal Sportmanagement" entfallen pro Jahr mehr als 285.000 Euro.

Erfolge als Argument

Weiß das Sportministerium und weiß Trattner, wofür genau dieses Geld – man könnte von drei gutbezahlten Fulltime-Jobs reden – verwendet wurde? Auch das wollte der STANDARD wissen. Trattner wollte bis Freitagmittag weder diese noch andere Fragen beantworten. Das Ministerium ließ wissen: "Es obliegt jedem Fachverband selbst, die von der BSG errechnete Gesamtfördersumme je nach Schwerpunktsetzung auf die verschiedenen Förderbereiche aufzuteilen. Die BSG überprüft lediglich, ob das Größenverhältnis der einzelnen Förderbereiche zueinander plausibel ist. Im Falle des Rodelverbandes war und ist das der Fall."

Die Erfolge des Rodelverbands sprechen für sich. Das Sportministerium hebt "elf olympische Medaillen bei den letzten fünf Winterspielen" sowie "45 WM- und EM-Medaillen seit 2007" hervor. Damit lässt sich argumentieren. Doch deckt diese Argumentation auch 1,5 Millionen Euro, die das Ministerium dem Rodelverband in den Jahren 2020 und 2021 direkt und insgesamt für "Entwicklung der Sportgerätetechnologie im österreichischen Wintersport" zukommen ließ?

150 Aktive im Rennrodeln

Dieses "Pilotprojekt" galt neben dem ÖRV übrigens auch dem Skiverband, der daraus für 2020 und 2021 fünf Millionen Euro lukrierte. Skifahren ist freilich Nationalsport, die Rennen in Schladming und Kitzbühel kommen jährlich in die Top-Ten-Quotenhits des ORF, laut Statistiken fuhr 2020/21 immer noch ein Drittel der Bevölkerung Ski oder Snowboard. "Im Rennrodelsport gibt es circa 150 Aktive", sagt ÖRV-Präsident Prock. Doch ähnlich wie Skispringen zieht auch das Rennrodeln praktisch keine Hobbyisten an, kein Wunder beim Speed von 100 km/h und mehr im Eiskanal.

Ob diese Zahlen eine Schieflage bedeuten, will der frühere RH-Präsident Fiedler nicht beurteilen. "Das Ministerium ist in einer Schieflage", sagt er und meint die zwei Gleise, auf denen Trattner – noch – unterwegs ist. "Die, die so etwas abstellen könnten, sollten es auch abstellen", sagt er.

Genau dieser Forderung dürfte Sportminister Kogler, wenn auch vielleicht nicht "ehestmöglich", nun nachgekommen sein. (Fritz Neumann, 28.1.2023)