Nun hat es also auch der Bundespräsident getan. Im Vorfeld seiner zweiten Vereidigung legte sich Alexander Van der Bellen darauf fest, dass er die FPÖ nicht automatisch mit der Regierungsbildung beauftragen wird, wenn sie bei Wahlen stimmenstärkste Partei ist. Das steht ihm zu.

Bundespräsident Alexander Van der Bellen bei seiner Angelobung im Parlament in Wien.
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Es wurde zwar nicht ganz klar, ob er das nur auf Parteichef Herbert Kickl bezog oder ob er jede oder jeden, die oder den die FPÖ fürs Kanzleramt vorschlägt, ablehnen würde. Sein Satz, er werde "eine antieuropäische Partei", die "den Krieg gegen die Ukraine nicht verurteilt", nicht auch noch befördern, sprach aber Bände. Dafür und für sein eindringliches Bekenntnis zu den Grund- und Freiheitsrechten in der Republik hat er bei der großen Mehrheit der Bevölkerung viel Applaus bekommen.

Auch Bewunderung. Zu Recht. Die FPÖ ist antieuropäisch. Sie tritt auf EU-Ebene in der Fraktion von Europas extrem rechten Parteien gegen Ausländer und Menschenrechte auf. Sie ist zuweilen rassistisch, verharmlost Putin. Dennoch: So respektabel Van der Bellens Haltung ist und so gern man sie inhaltlich auch teilt, stellt sich formell doch die Frage, ob er sich so direkt in parteipolitische Konfrontationen einmischen soll.

Er schwächt damit seine überparteiliche Rolle als Staatsoberhaupt. Van der Bellen hätte die Botschaft ohne Nennung von Namen eleganter anbringen können. So aber heizte er die Polarisierung im Land weiter an – zur Freude der FPÖ. Die weiß das stets skrupellos zu nützen, seit Jörg Haiders Hochzeit.

Das Problem ist, dass die Ex-Großparteien SPÖ und ÖVP so schwach sind. Sie bekriegen einander lieber, als sich der Sprücheklopferpolitik der FPÖ entgegenzustellen. Van der Bellen kann dieses Versagen als Präsident nicht kompensieren, so gut es auch gemeint ist. Und was macht er, wenn die FPÖ Nummer eins wird und dann Norbert Hofer als Bundeskanzler vorschlägt, der 2016 beinahe zum Bundespräsidenten gewählt wurde? (Thomas Mayer, 27.1.2023)