Bis jetzt finden die Prozesse zu Causen, in denen es um mögliche Korruption geht, in bestehenden Gerichten statt – im Bild die Tür zu jenem Verhandlungssaal des Wiener Straflandesgerichts, in dem das Prikraf-Verfahren gegen Heinz-Christian Strache und Walter Grubmüller stattgefunden hat.

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Nicht erst seit dem vergangene Woche zu Ende gegangenen Prozess wegen mutmaßlicher Korruption mit einem prominenten politischen Beteiligten, nämlich dem ehemaligen Grünen-Politiker im Bund und in Wien, Christoph Chorherr, der mit einem Freispruch endete, gibt es Überlegungen, vor allem in Justizkreisen, einen eigenen Gerichtshof für Wirtschafts- und Korruptionsstrafsachen zu installieren.

Auf STANDARD-Anfrage schloss sich zuletzt auch die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) selbst dieser Idee an. Ein auf derartige Causen spezialisierter Gerichtshof wäre, so sagte eine WKStA-Sprecherin, "ein wesentlicher Schritt zur Betonung der erforderlichen Expertise und Erfahrungen der handelnden Personen", die auch besser entlohnt und mit den Oberstaatsanwälten der WKStA gleichgestellt werden sollten. Ein eigener Gerichtshof für Korruptionsdelikte wäre aus Sicht der Antikorruptionsbehörde auch ein "Signal" für einen stärkeren Fokus auf "effektive Strafverfolgung" für derartige Delikte.

Gemischte justizpolitische Reaktionen

Die (justiz)politischen Reaktionen darauf fielen höchst unterschiedlich aus. Die thematisch hauptzuständige Justizministerin Alma Zadić (Grüne) reagierte im STANDARD-Interview recht vage und vorsichtig: "Es ist ein interessanter Denkanstoß, der nicht neu ist. Wir müssen uns diese Änderungen im Rechtssystem sehr genau anschauen, es gibt bei diesem Vorschlag, der ja erstmalig vom Präsidenten des Wiener Landesgerichts geäußert wurde, auch verfassungsrechtliche Bedenken."

Damals, es war Ende 2019, hatte sich Straflandesgerichtspräsident Friedrich Forsthuber für ein neues Spezialgericht für große Wirtschaftsstrafsachen ausgesprochen. Dieses "Wirtschaftsgericht" könnte sich spezialisieren und zugleich die anderen Gerichte von Großverfahren wie dem Buwog-Prozess entlasten.

"Man muss und soll darüber diskutieren", sagte auch Sabine Matejka, Präsidentin der Vereinigung österreichischer Richterinnen und Richter und Vorsteherin des Bezirksgerichts Floridsdorf, am Samstag zum STANDARD. Es gelte aber, alle Für und Wider abzuwägen. Ein Vorteil wäre, dass ein neuer Gerichtshof gut ausgestattet werden würde – das vor allem auch vor dem Hintergrund, dass das Grundproblem der Gerichte laut Präsidentin Matejka die mangelnde personelle Ausstattung sei. Ein Nachteil aus Sicht der Richterinnen und Richter wäre jedoch, dass sie an einem Vollgericht die Möglichkeit haben, nach einem langen, aufwändigen Wirtschaftsverfahren vorübergehend an eine andere Abteilung zu wechseln, was an einem Spezialgericht nicht so wäre.

FPÖ lehnt noch ein "Sondergericht" klar ab

Eine dezidiert ablehnende Position zu einem eigenen Korruptionsgericht vertritt hingegen die FPÖ. Der freiheitliche Justizsprecher Harald Stefan erteilte der Idee der WKStA nach einem eigenen Gerichtshof auf STANDARD-Anfrage eine klare Absage. "Ich sehe keinen echten Grund für eine derartige Sonderstellung. Wie viele Sondergerichte soll es dann noch geben? Es gibt genug andere Baustellen im Justizbereich und das Budget ist mehr als knapp bemessen. So gibt es nun zwar mehr Richter und Staatsanwälte, aber etwa bei der Justizwache oder bei den Kanzleistellen findet man keine wirkliche Verbesserung – es braucht somit in erster Linie eine ordentliche Ausstattung der Justiz. In Summe klingt dieser Wunsch der WKStA wie eine Flucht nach vorne aufgrund der negativen Berichterstattung der letzten Wochen."

In der Tat war die Antikorruptionsbehörde zuletzt nach einer Reihe von Freisprüchen in Verfahren mit hoher Öffentlichkeitswirkung in Kritik geraten. Vor der Causa Chorherr, bei der es auch um Flüchtigkeitsfehler in der Anklage gegangen war (falsche Funktionsbezeichnungen oder Geburtsdaten), ging unlängst auch ein Verfahren gegen Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und einen Privatklinikbetreiber ebenfalls mit einem Freispruch für die Angeklagten aus.

SPÖ offen für Korruptionsgerichtshof, für Neos "nicht notwendig"

Die größte Oppositionspartei, die SPÖ, ist, wie bereits berichtet, offen für den Vorschlag der WKStA, einen spezialisierten Gerichtshof für Korruptionsdelikte zu schaffen. Justizsprecherin Selma Yildirim zufolge habe man in den vergangenen Jahren "deutlich gesehen, dass Österreich dringend eine Stärkung der unabhängigen Justiz im Bereich der Korruptionsbekämpfung braucht". Im Rahmen einer größeren Justizreform, deren "Herzstück" eine unabhängige Bundesstaatsanwaltschaft sein müsse, "wäre ein Gerichtshof für Wirtschafts- und Korruptionsdelikte ebenfalls zu prüfen".

Neos-Vizeklubobmann Nikolaus Scherak wiederum hält einen eigenen Gerichtshof für "nicht notwendig". Viel eher brauche es endlich "ein schärferes Korruptionsstrafrecht, einen unabhängigen und weisungsfreien Bundesstaatsanwalt und wesentlich mehr Ressourcen für die WKStA und das BAK (Anm. Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung)", um auf diese Weise das Vertrauen der Menschen in die Politik wiederherzustellen.

STANDARD-Anfragen zur ÖVP-Meinung zu einem eigenen Gerichtshof für Wirtschafts- und Korruptionsfälle blieben bis zum Wochenende unbeantwortet. (nim, muz, fsc, 28.1.2023)