Nadhim Zahawi ist nun nicht mehr Teil der britischen Regierung.

Foto: AP/Kirsty Wigglesworth

Tagelang hatten die Steuerangelegenheiten des Kabinettsmitglieds Nadhim Zahawi die Schlagzeilen der Medien bestimmt. Am Sonntagvormittag kam das abrupte Aus für den Generalsekretär (Chairman) der konservativen Regierungspartei: Premier Rishi Sunak feuerte den 55-Jährigen wegen "eines schweren Verstoßes" gegen den regierungsamtlichen Ehrenkodex.

Das am Sonntag veröffentlichte Schreiben des Regierungschefs an seinen Minister beschreibt den Vorgang in ungewöhnlich klaren und für britische Verhältnisse formellen Formulierungen. Erkennbar wollte Sunak keine Zweifel daran lassen, dass es sich keineswegs um einen, wenn auch verspäteten, Rücktritt, sondern um eine Entlassung handelte: "Ich habe Sie von meiner Entscheidung informiert, Sie von ihrem Posten in der Regierung Seiner Majestät zu entfernen". Zahawis Antwort enthielt keine Entschuldigung.

Ethik-Berater installiert

Sunak hatte vor Wochenfrist seinen erst kürzlich installierten Ethik-Berater, einen erfahrenen Investmentbanker, mit der Untersuchung des Falls beauftragt. Laurie Magnus‘ Bericht fiel eindeutig aus: Zahawi habe weder bei seiner Berufung zum Bildungsminister noch später zum Finanzminister offengelegt, dass die ihm unterstellte Finanzbehörde HMRC seine Steuerverhältnisse untersuchte.

Erst nach einer Nachfrage durch HMRC korrigierte der Minister den entsprechenden regierungsinternen Eintrag, behauptete in der Öffentlichkeit aber weiterhin, ihm sei nichts von einer Untersuchung bekannt. Journalisten sowie Aktivisten, die ihm längst auf der Spur waren, drohten Zahawis Anwälten mit Verleumdungsverfahren.

Millionennachzahlung

Erst am vorvergangenen Samstag räumte Zahawi ein, die Steuerbehörde habe ihn zu einer Nachzahlung von umgerechnet insgesamt 5,7 Millionen Euro verdonnert. Mindestens eine Million davon war eine Strafgebühr. Magnus‘ Fazit: Der Minister habe "gegen die generelle Pflicht zur Wahrheit" verstoßen. Sunak hat dem Wahlvolk "Integrität, Professionalität und Verantwortlichkeit" gelobt.

Zahawi ist Sohn einer kurdisch-irakischen Familie, die vor dem Regime von Saddam Hussein aus der Heimat fliehen musste. Der 11-Jährige kam ohne ein Wort Englisch auf der Insel an. Dass er durch rasche Auffassungsgabe und gute Bildungschancen bald in der britischen Gesellschaft Fuß fasste und mit der Gründung der Umfragefirma YouGov Millionen verdiente, brachte ihm in seiner Partei große Anerkennung ein.

Als es im Juli um die Nachfolge des in Schande aus dem Amt gedrängten Boris Johnson ging, machten aber schon bald Gerüchte um sein in Steueroasen wie der britischen Kolonie Gibraltar geparktes Vermögen die Runde. Zahawi zog sich eilends aus dem Rennen zurück.

Weitere Minister in der Kritik

Sprecher der Oppositionsfraktionen begrüßten die Entlassung des Ministers; diese komme aber viel zu spät. Sie erinnerten zudem daran, dass auch gegen Vize-Premier und Justizminister Dominic Raab eine interne Untersuchung im Gang ist. Dabei geht es um das angebliche Mobbing junger Beamtinnen – ein Vorwurf, der auch gegen Innenministerin Suella Braverman erhoben wurde. Beide Minister beteuern ihre Unschuld.

Wirbel gibt es weiterhin auch um die Vermischung privater und politischer Interessen durch Ex-Premier Johnson. Medienveröffentlichungen legen den Schluss nahe, der dauernd an Geldnot leidende Politiker habe großzügigen Geldgebern einflussreiche Posten angeboten oder im Fall des BBC-Chairmans Richard Sharp sogar beschafft. Sharp weist alle Vorwürfe zurück.

Warten auf Sunaks Steuererklärung

Oppositionsführer Keir Starmer hat jetzt den Druck auf Sunak zusätzlich erhöht. Wenn seine Labour-Partei an die Regierung komme, würden die Steuererklärungen des Premiers, seiner Stellvertreterin sowie der Finanzministerin veröffentlicht, heißt es in einer von Starmer mit seiner Parteivize Angela Rayner und Finanz-Sprecherin Rachel Reeves abgestimmten Erklärung. Der Premierminister hatte bei seinem Amtsantritt Ende Oktober die Offenlegung seiner Steuererklärung angekündigt. Ein Sprecher der Downing Street sprach zuletzt davon, dies werde "ziemlich bald" in die Tat umgesetzt.

Für Sunak, 42, ist das Thema besonders schwierig, weil die Finanzen seiner schwerreichen Familie immer wieder für Schlagzeilen sorgen. Mit seiner Frau Akshata Murty, der Tochter eines Milliarden-schweren IT-Unternehmers, nannte der Politiker laut Reichenliste der "Sunday Times" im vergangenen Jahr ein Vermögen von 830 Millionen Euro sein eigen. Die indische Staatsbürgerin Murty hatte noch während Sunaks ersten politischen Gehversuchen ein hochumstrittenes Schlupfloch für Steuer-Ausländer (non-doms) in Anspruch genommen. Labour stellt dessen Abschaffung in Aussicht. (Sebastian Borger aus London, 29.1.2023)