Das Giebelkreuz ist in Russland zu einer Bürde geworden. Je länger Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine anhält, desto hinterfragenswerter wird das Engagement der Raiffeisenbank International (RBI) ebendort. Nicht unerwartet hat nun auch Kiew die Aktivitäten des Raiffeisen-Spitzeninstituts bzw. von deren Leasingtochter in Russland aufs Korn genommen. Die Tätigkeit wurde als kriegsunterstützend für Putin eingestuft, Sanktionen vonseiten der Ukraine unter anderem gegen führende Repräsentanten der Bank stehen bevor.

Raiffeisenbank International (RBI) kann das erwirtschaftete Geld zwar nicht nach Österreich überweisen, verdient wie die Leasingtochter in Russland aber weiter prächtig.
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Das Unternehmen hat zwei Alternativen: weitermachen wie bisher und riskieren, als Paria dazustehen; oder einen radikalen Schnitt machen, Russland verlassen und Geld verlieren. Andere Optionen gibt es nicht. Viele Konzerne mit starkem Russland-Exposure sind längst raus aus dem Land oder haben ihre Aktivitäten auf Eis gelegt. RBI, die kurz nach dem Fall des Eisernen Vorhangs vor mehr als 30 Jahren unter den ersten westlichen Konzernen war, die zum Ritt in den wilden Osten aufbrachen, hat das nicht getan. Das Motiv heißt Geld.

Milliarden und Abermilliarden hat Raiffeisen International seitdem im Osten, insbesondere im flächengrößten Staat, Russland, verdient. Damit konnten auch Ertragsschwächen im Westen kaschiert werden. Diese Praxis hat sich 2014 nahtlos fortgesetzt, als Russland die Krim überfallen und sich die strategisch wichtige Halbinsel unter den Nagel gerissen hat. Wirklich geändert hat sich daran auch nichts, als Russland im Februar 2022 die Grenzen zur Ukraine überrollt und das Land unter schweren Beschuss genommen hat. RBI kann das erwirtschaftete Geld zwar nicht nach Österreich überweisen, verdient wie die Leasingtochter in Russland aber weiter prächtig.

Auch wenn Raiffeisen das bestreitet: Bereits die Nichtreaktion auf die Krim-Annexion kann als stillschweigende Unterstützung Putins verstanden werden. Anscheinend wurden bisher auch keine Alternativen zum Plan A gewälzt, der da heißt: Geld verdienen, solange es geht, koste es, was es wolle. Sehr bald schon dürfte aber der Punkt erreicht sein, wo die moralischen Kosten eines fortgesetzten Russland-Engagements den realen Gewinn aus der Geschäftstätigkeit ebendort übersteigen. Noch gibt es eine Chance für Raiffeisen, sich halbwegs glimpflich aus der Misere zu ziehen – dank der ukrainischen Sanktionen. Weitermachen wie bisher wäre purer Opportunismus, der nicht mehr kaschiert werden kann. Besser ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende. (Günther Strobl, 29.1.2023)