Kann ihn irgendwer aufhalten? Novak Djokovic wird im Juni in Paris aufschlagen.

Foto: IMAGO/JAMES ROSS

Melbourne – Am Tag danach hockte Novak Djokovic auf einer Wiese nahe dem Melbourne Park und wartete geduldig auf den Bau der Kulisse, die sein "außerirdisches" Wirken ins Szene setzen sollte. Den Norman Brookes Challenge Cup hatte er selbst zum traditionellen Fotoshooting mitgebracht, zwei übergroße Ziffern rundeten das Bild ab: 1 und 0.

Zehn Triumphe hat Djokovic bei den Australian Open nun gefeiert, 22 sind es bei allen vier Grand-Slam-Turnieren insgesamt. Immer klickten die Kameras, immer küsste er einen Pokal, und immer fasste der unersättliche Serbe sofort das nächste Ziel ins Auge. So auch diesmal nach dem Triumph im Finale über den Griechen Stefanos Tsitsipas.

"Natürlich bin ich motiviert, so viele Slams wie möglich zu gewinnen", sagte Djokovic: "Natürlich ist es ein Privileg, Teil der Diskussion um den besten Spieler aller Zeiten zu sein." Wer Djokovic (35) kennt, weiß, dass er diese Diskussion beenden will. Im Ranking ist er nach all den Irrungen und Wirrungen des vergangenen Jahres bereits zurück auf seinem angestammten Platz eins.

Auf dem Weg zum GOAT

Etliche Marken könnte er sich nun zum Ziel setzen. Die unerreichten 24 Grand Slams von Margaret Court, dahinter kommt Serena Williams mit 23. Einen weniger hat Djokovic nun in seinem Briefkopf stehen, genau wie Steffi Graf und auch sein Dauerrivale Rafael Nadal, der im vergangenen Jahr noch Djokovics Abwesenheit in Australien zum Coup genutzt hatte. Roger Federer hat Grand 20 Slams gewonnen und seine Karriere beendet.

"Er wird auf 28 Grand-Slam-Titel kommen – ganz locker", prophezeite Nick Kyrgios, der Australier hatte Djokovics Dominanz 2022 im Wimbledon-Finale zu spüren bekommen. "Bitte geh zurück auf deinen Planeten", flehte der Spanier Alejandro Davidovich Fokina, immerhin Nummer 32 der Welt. "Er wird immer verrückter", stellte Djokovics Trainer Goran Ivanisevic fest: "Auf eine positive Art, meine ich. Der Typ ist unglaublich."

Unglaublich gut und unglaublich zäh. Trotz seiner Oberschenkelprobleme gab Djokovic im gesamten Turnier nur einen Satz ab. "Ich fühle mich großartig mit meinem Tennis", sagte er: "Wenn ich mich körperlich und geistig gut fühle und mental gut drauf bin, habe ich die Chance, jeden Slam zu gewinnen. Gegen jeden. Mir gefallen meine Chancen."

Paris erobern

Das nächste Kapitel Tennisgeschichte könnte Djokovic im Mai bei den French Open in Paris schreiben – im Reich des Sandplatzherrschers Nadal. Bis dahin wird er seinem Körper Pausen gönnen, denn: "Natürlich ist 35 nicht 25, auch wenn ich mir das gerne einreden möchte." Und: In Roland Garros ist die Konkurrenz am stärksten, zumal sich Alexander Zverev (25) und US-Open-Champion Carlos Alcaraz (19) nach ihren Verletzungen sicher nicht kampflos ergeben werden.

Doch Djokovic spielt, wenn er gesund ist, in einer anderen Liga. "Ich dachte, ich habe alles gesehen, und dann kommt das", sagte Ivanisevic: "Wahrscheinlich werde ich noch mehr sehen." Mehr Fotoshootings, mehr Pokale, mehr Rekorde. (sid, red, 30.1.2023)