Die Lage ist nach der massiven Explosion unübersichtlich.

Foto: EPA / BILAWAL ARBAB

Peshawar – Die Zahl der Toten nach einem Selbstmordanschlag in einer Moschee im Nordwesten Pakistans ist offiziellen Angaben zufolge auf 100 gestiegen. In der Nacht auf Dienstag seien mindestens zehn Tote aus den Trümmern des eingestürzten Gebäudes geborgen worden, sagte ein Polizeisprecher der Deutschen Presse-Agentur. Mehr als 220 Personen seien verletzt worden.

Der Angriff ereignete sich am Montag während des Mittagsgebets in einer Hochsicherheitszone der Stadt Peshawar, in der sich auch viele Polizeigebäude befinden. Die Opfer sind laut dem Sprecher hauptsächlich Polizisten.

Bisher hat sich niemand zu dem Anschlag bekannt. Ende des vergangenen Jahres hatten jedoch die pakistanischen Taliban – die unabhängig von der islamistischen Taliban-Regierung im benachbarten Afghanistan sind – eine Waffenruhe mit der Regierung in Islamabad aufgekündigt. Seither haben sie mehrere Anschläge für sich reklamiert. Auch die Terrormiliz Islamischer Staat hatte sich in der Vergangenheit zu Anschlägen auf Moscheen bekannt.

Reaktionen von Premierminister und Uno

Premierminister Shehbaz Sharif verurteilte den Anschlag bei einem Besuch eines örtlichen Krankenhauses. "Terroristen wollen Angst erzeugen, indem sie diejenigen ins Visier nehmen, die die Pflicht haben, Pakistan zu verteidigen", sagte er. "Es war nichts weniger als ein Angriff auf Pakistan." Innenminister Rana Sanaullah kündigte eine Untersuchung an. US-Außenminister Antony Blinken drückte den Hinterbliebenen sein Beileid aus. "Terrorismus, egal aus welchem Grund und an welchem Ort, ist nicht zu rechtfertigen", schrieb Blinken auf Twitter.

Die Vereinten Nationen verurteilten den Selbstmordanschlag "aufs Schärfste". "Es ist besonders abscheulich, dass ein solcher Angriff in einem Gotteshaus stattfand", ließ Uno-Generalsekretär António Guterres mitteilen. Religionsfreiheit, Glaubensfreiheit und die Möglichkeit, in Frieden Gottesdienst zu feiern, seien ein grundlegendes Menschenrecht.

Stark gesicherter Ort

Der Polizeichef von Peshawar, Muhammad Ijaz Khan, sagte: "Viele Polizisten sind unter den Trümmern begraben." Nach seinen Angaben nehmen normalerweise 300 bis 400 Beamte an den Gebeten in der Moschee teil. Es würden nun "Anstrengungen unternommen, um sie in Sicherheit zu bringen", sagte er.

In dem Gebäude, in dem die Moschee untergebracht ist, befinden sich auch das Polizeipräsidium sowie Büros des Geheimdiensts und der Anti-Terror-Einsatzkräfte. Es handelt sich um einen der am stärksten gesicherten Orte der Stadt.

Sicherheitskräfte in Alarmbereitschaft

Die Sicherheitskräfte im gesamten Land wurden in höchste Alarmbereitschaft versetzt. Kontrollpunkte wurden verstärkt, zusätzliche Sicherheitskräfte mobilisiert und in der Hauptstadt Islamabad auch Scharfschützen auf den Dächern und an den Zugangsstraßen zur Stadt postiert. "Terroristen wollen Angst verbreiten, indem sie jene zum Ziel nehmen, die Pakistan verteidigen", erklärte Premier Sharif.

Der Polizist Shahid Ali, der das Unglück überlebte, berichtete, dass es nur Sekunden nach Beginn des Gebets durch den Imam zu der Explosion gekommen war. "Ich sah schwarzen Rauch aufsteigen und rannte um mein Leben", sagte der 47-Jährige der Nachrichtenagentur AFP. "Ich höre immer noch die Schreie der Menschen, sie riefen um Hilfe."

Mehrere Anschläge in der Vergangenheit

Im März hatte ein Selbstmordattentäter der Miliz "Islamischer Staat" (IS) einen Anschlag auf eine Moschee der schiitischen Minderheit in Peshawar verübt, bei dem 64 Menschen getötet worden waren. Es war der verheerendste Anschlag in Pakistan seit 2018.

Auch der pakistanische Zweig der radikalislamischen Taliban, der unter dem Namen Tehreek-e-Taliban Pakistan (TTP) firmiert, ist in der Region aktiv. Die radikalsunnitische Gruppe ist nicht mit der Taliban-Regierung in Afghanistan verbunden, beide haben aber gemeinsame Wurzeln. In Peshawar hatten TTP-Kämpfer im Jahr 2014 ein Massaker verübt: Sie überfielen eine Schule auf der Suche nach Kindern von Armeeangehörigen und töteten fast 150 Menschen, die meisten waren Schüler.

Nach Machtübernahme in Afghanistan erstarkt

Die 2007 gegründete TTP war nach der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan wiedererstarkt. Im vergangenen Jahr bekannte sie sich zu mehreren Anschlägen in Pakistan, die sich vor allem gegen Sicherheitskräfte richteten. Eine monatelange Feuerpause zwischen TTP und pakistanischer Regierung war im November ausgelaufen.

In Pakistan ist die große Mehrheit der Bevölkerung von mehr als 230 Millionen Einwohnern muslimischen Glaubens. In der Großstadt Peshawar leben etwa zwei Millionen Menschen. (APA, Reuters, 30.1.2023)