Die Welt braucht mehr Algenfarmen (wie diese hier in indonesischen Gewässern). Das zumindest ergab eine Studie der University of Queensland mit Beteiligung des International Institute for Applied Systems Analysis (IIASA) in Laxenburg bei Wien.

Foto: University of Queensland/Dudarev Mikhail

Pflanzen aus dem Meer bilden in vielen Kulturen seit jeher eine wichtige kulinarische Säule. Aus der japanischen Küche beispielsweise ist die Meeresalge Nori nicht wegzudenken, und zwar nicht nur als Maki-Hülle. Der jährliche Produktionswert von Nori beläuft sich in Japan auf rund zwei Milliarden US-Dollar. Fachleute sehen in pflanzlichen Aquakulturen viele Vorteile. So zeigte beispielsweise 2020 eine Studie an Kelp-Kulturen vor der Westküste Schwedens, dass solche Unterwasserfarmen kaum negative, manchmal sogar positive Auswirkungen auf die umliegenden Ökosysteme haben.

Algen- und Wasserpflanzenfarmen benötigen in der Regel wenig Dünger und hinterlassen auch in dieser Hinsicht einen geringen ökologischen Fußabdruck. Außerdem erweist sich der Meeresanbau bisweilen auch für den Einzelnen als recht lukrativ: Bei einer auf den Philippinen durchgeführten Bestandsaufnahme liefert der Abbau der Eucheuma-Alge auf einem Hektar das Fünffache des durchschnittlichen Lohns eines Landarbeiters. Freilich ist auch beim Algenanbau nicht alles eitel Wonne.

Schattenseiten

Bisweilen werden durch unkontrollierten Meeresalgenanbau Mangrovenwälder zerstört, was letztlich aber auch die Erträge verringert, denn dadurch verschlechtert sich die Wasserqualität in der Region. Darüber hinaus fördert die weltweite Algenzucht auch die Verbreitung invasiver Arten. Und nicht zuletzt hat sich Seegrasfarming da und dort auch negativ auf die lokale biologische Vielfalt ausgewirkt.

Eine internationale Studie lieferte nun jedoch Gründe, warum dennoch auch in unseren Breiten mehr Gemüse aus dem Meer auf den Tisch kommen sollte: Eine Ausweitung der Algenzucht rund um den Globus könnte demnach einen wichtigen Beitrag zur Ernährungssicherheit, zum Erhalt der verbleibenden biologischen Vielfalt und nicht zuletzt als Bremse des Klimawandels leisten, wie das Team im Fachjournal "Nature Sustainability" mit Zahlen untermauert.

Nahrung, Rohstoffe und Energie

Konkret hat die Gruppe um Scott Spillias von der University of Queensland untersucht, ob Algenzucht eine nachhaltige Alternative zur Ausweitung der Landwirtschaft an Land wäre, um den weltweit wachsenden Bedarf an Nahrungsmitteln und Materialien zu decken. "Algen haben ein großes kommerzielles und ökologisches Potenzial, sowohl als nahrhaftes Lebensmittel als auch als Grundprodukt für Tierfutter, Kunststoffe, Fasern und Treibstoffe", sagte Spillias.

Das wichtigste Ergebnis der Studie: Eine Ausweitung des Algenanbaus könnte dazu beitragen, die weltweite Nachfrage nach Feldfrüchten zu verringern. Damit ließen sich die globalen Treibhausgasemissionen der Landwirtschaft um bis zu 2,6 Milliarden Tonnen CO2-Äquivalent pro Jahr reduzieren. Untersucht wurde das Potenzial des Anbaus von mehr der 34 kommerziell relevanten Algenarten, als Grundlage diente das Global Biosphere Management Model (GLOBIOM) der IIASA in Laxenburg bei Wien.

An der Küste des indischen Bundesstaats Tamil Nadu erfolgt der Algenanbau auf Bambusflößen.
Foto: APA/AFP/Abhaya Srivastava

Entwicklungen bis 2050

Die Berechnungen mündeten in eine Reihe von Szenarien, bei denen Umweltvorteile, Landnutzungsänderungen, Treibhausgasemissionen, Wasser- und Düngemittelverbrauch und prognostizierte Veränderungen im Artenbestand bis 2050 ermittelt wurden. "In einem Szenario ersetzten wir zehn Prozent der weltweit verbrauchten Nahrungsmittel durch Algenprodukte. Dies würde verhindern, dass 110 Millionen Hektar Land in Landwirtschaftsflächen umgewandel werden", sagte Spillias.

Das Team identifizierte auch Küstenbereiche, die sich als Anbauregionen eignen würden; die Flächen liegen innerhalb von ausschließlichen Wirtschaftszonen (AWZ), was bedeutet, dass ein souveräner Staat diese Meeresgebiete entsprechend nutzen kann. Der größte Anteil an geeigneten Meeresgebieten liegt in der indonesischen AWZ, wo schätzungsweise bis zu 114 Millionen Hektar für die Meeresalgenzucht geeignet sind.

Nicht die Fehler wiederholen

Die australische AWZ weist ebenfalls ein großes Potenzial und eine große Artenvielfalt auf, mit mindestens 22 kommerziell nutzbaren Arten und schätzungsweise 75 Millionen Hektar geeigneter Meeresfläche. Und es gebe in australischen Gewässern viele weitere Algenarten, die unter dem Gesichtspunkt der kommerziellen Nutzung noch gar nicht untersucht worden seien, meinte Spillias.

Eve McDonald-Madden (University of Queensland), Koauthorin der Studie, warnt allerdings davor, die Dinge zu überstürzen. Auch bei der "Algenlösung" müsse man aufpassen, sonst könne es passieren, dass man die Probleme der Landwirtschaft an Land nur in die Ozeane verlagert. "Unsere Studie zeigt auf, was getan werden könnte, um einigen der Probleme der globalen Nachhaltigkeit zu begegnen. Doch bei einer Umsetzung muss man extreme Vorsicht walten lassen", sagte McDonald-Madden. (tberg, red, 30.1.2023)