Dirigent Paavo Järvi und das Tonhalle-Orchester Zürich gastierten im Musikverein.

Foto: Kaupo Kikkas

Als der liebe Gott die Klänge an die Instrumente verteilte, meinte er es mit der Viola besonders gut und schenkte ihr den sinnlichsten aller Streichertöne. Das merkte auch Niccolò Paganini. Als ihm eine Bratsche von Stradivari in die Hände fiel, bestellte er bei Hector Berlioz ein Violakonzert. Statt eines Virtuosenstücks komponierte Berlioz eine Programmsymphonie mit Solobratsche. Für Paganini war dieser "Harold in Italien" freilich nichts, weil es sich mit der haroldischen Melancholie und Einsamkeit nicht brillieren ließ.

Romantische Höhenflüge mit Berlioz und Brahms

Welch Glück, dass Paavo Järvi und sein Tonhalle-Orchester Zürich beim sonntägigen Gastspiel im Musikverein ausgerechnet dieses herrliche Stück Musik mit im Gepäck hatten, das Antoine Tamestit in ein hinreißendes Stationendrama verwandelte: von Harolds Glück in den Bergen, wo Tamestit seiner Stradivari-Bratsche im Dialog mit Harfe und Klarinetten die schönsten Klänge entlockte, über die zarten Arpeggien im sakralen Gesang des Pilgerchors bis zu den erstickten Seufzern zum finalen Gelage der Räuber. Minutenlanger Applaus.

Der romantische Höhenflug setzte sich auch nach der Pause fort, dieses Mal mit Johannes Brahms’ Klavierquartett in g-Moll, das Arnold Schönberg für Orchester bearbeitet hatte. Was das Tonhalle-Orchester mit seinem brillanten und zugleich expressiven Klang Arnold Schönbergs genial instrumentierter Partitur entlockten, war eine wahre Freude. Und weil im Goldenen Saal die Begeisterung des Publikums dann auch kein Ende nehmen wollte, legten Dirigent Paavo Järvi und das Orchester eine furiose Darbietung von Brahms’ Ungarischen Tanz Nr. 1 in g-Mollals Zugabe nach. (Miriam Damev, 31.1.2023)