Dass Strom aus erneuerbaren Quellen in Zeiten der Klimawende besser ist als aus fossilen, hat sich mittlerweile herumgesprochen. Bei der Produktion nachhaltiger Güter halten sich viele Unternehmen laut einer Studie noch zurück.

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Die Zeit drängt, will die EU die Klimaziele erreichen. Alle Sektoren müssen beitragen, soll das gelingen. Mehr Kreislaufwirtschaft, mehr Recycling, Zurückschrauben des Ressourcenverbrauchs, weniger Bodenversiegelung – die Liste der Erfordernisse ließe sich lange fortsetzen.

Die Herausforderungen sind enorm, um die globale Erwärmung auf die in Paris festgelegten 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Ohne Verhaltensänderungen wird es nicht gehen, ohne Technologiewandel in allen Wirtschaftssektoren auch nicht. Enorme finanzielle Mittel sind nötig, die nicht allein die öffentliche Hand stemmen kann.

Unterschiedliche Geschwindigkeiten

Der Umstieg auf grüne Technologien in den unterschiedlichsten Bereichen ist in unterschiedlicher Geschwindigkeit im Gange. Mit ein Grund: Sie sind vielfach noch sehr teuer, siehe Wasserstoff oder E-Fuels. Das bremst auch die Euphorie so mancher Unternehmen.

Zu Unrecht, meinen Fachleute. Die Boston Consulting Group (BCG) hat sich in Zusammenarbeit mit dem Weltwirtschaftsforum (WEF) unter dem Titel "Winning in Green Markets: Scaling Products for a Net Zero World" angesehen, wie Unternehmen Nachhaltigkeit kommerzialisieren können. Verstehen könnte man den Bericht auch als Plädoyer für die Industrie: Die Welt wird grüne Produkte brauchen, kaufen und dafür bezahlen.

Kosten überschaubar

Die gute Nachricht laut dem BCG-Experten Jens Burchardt: "Die ökonomischen Effekte sind nicht so groß, wie die Leute oft denken." Die Chancen, teurere, nachhaltigere Produkte auch verkaufen zu können, seien intakt. Ohnehin seien die Preisunterschiede oft überschätzt: Ein 30.000-Euro-Mittelklasseauto würde nur etwa 500 Euro mehr kosten, wenn es vollständig aus fossilfrei hergestellten Materialien produziert würde, sagt Burchardt. Smartphones, Kleidung – ein bis zwei Prozent müssten Konsumenten und Konsumentinnen drauflegen, um umwelt- und klimafreundlicher produzierte Waren zubekommen.

Die Nachfrage wird steigen, ist sich das Beratungshaus sicher. Die Sache habe aber einen Haken. Die Industrie hinke mit ihrem Angebot hinterher. Das betreffe vor allem Materialien wie Stahl und Kunststoff. Unternehmen würden nicht in dem erforderlichen Tempo umsteigen, was zu einer "grünen Knappheit" führe, heißt es in dem Bericht. Demzufolge wird das höchste Knappheitsrisiko für 2030 bei umweltfreundlicheren Kunststoffen und Chemikalien prognostiziert.

Aufschlag

Warum? Die Kosten für die grüne Wende seien in der Grundstoffindustrie besonders hoch, sagt Burchardt. Dazu komme, dass bei den betroffenen Unternehmen der Mythos herrsche, "dass es diese Märkte nicht gibt, dass die Leute zwar sagen, sie wollen nachhaltiger konsumieren, aber dann nicht bereit sind, dafür zu bezahlen."

Derzeit seien viele kohlenstoffarme Alternativprodukte, insbesondere im Industriesektor, immer noch mit einem Kostenaufschlag von 50 Prozent oder mehr verbunden. "Wenn Unternehmen grünes Angebot schaffen, werden sie auch Nachfrage finden", ist Burchardt überzeugt. "Es stimmt nicht, dass Produzenten immer finanzielle Nachteile haben, wenn sie grüner produzieren." (Regina Bruckner, 31.1.2023)