Die Erbschaftssteuer ist ein Reizthema. Das müsste nicht sein, wenn man die Vorteile hervorstreicht, findet Betriebswirt Josef Redl im Gastkommentar.

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Sparen? Erben? Ein Grunderbe für mehr Chancengerechtigkeit? Wer zum Start ins Erwachsenenleben weniger Geld zur Verfügung hat, hat auch bei Ausbildung und Wohnen weniger Freiheiten.
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Als ich vor einigen Wochen einem Vortrag über die Geschichte und vor allem die Widerstände gegen eine Erbschaftssteuer lauschte, die es in allen Epochen gab, stellte ich mir instinktiv die Frage, warum es in Österreich jetzt so unmöglich erscheint, wieder eine solche einzuführen. Abgeschafft wurde sie 2008, weil sie der Verfassungsgerichtshof in ihrer bisherigen Form als verfassungswidrig erklärt hat und sich die damalige große Koalition unter der Führung der SPÖ nicht über ein Nachfolgemodell einigen konnte oder wollte.

Bis heute ist die Neueinführung einer Erbschaftssteuer höchst umstritten. Obwohl die Kluft zwischen Arm und Reich mittlerweile noch größer geworden ist: Ein Prozent der Bevölkerung besitzt fast die Hälfte des gesamten Vermögens, die untere Hälfte der Haushalte besitzt fast nichts. Obwohl Arbeitseinkommen in Österreich sehr hoch und Vermögen – von der Grunderwerbssteuer abgesehen – praktisch gar nicht besteuert wird. Obwohl erben rein gar nichts mit leisten zu tun hat. Obwohl etwa Deutschland, gemessen am jährlich vererbten Vermögen, schon eher eine Erben- als eine Leistungsgesellschaft ist. Und obwohl der Staat Einnahmen aus einer Erbschaftssteuer auch dringend bräuchte, um die durch die multiplen Krisen der letzten Jahre angehäuften Schuldenberge zumindest mittelfristig wieder abzubauen.

"Hier stehen Klientel- und Gerechtigkeitsinteressen einander diametral gegenüber."

Auf diese Frage, nämlich warum es bald 15 Jahre nach Abschaffung der alten Erbschaftssteuer noch immer keine neue gibt, gibt es natürlich mehrere Antworten: emotionale (Familienbesitz wird als unantastbar betrachtet), sachliche (im Fall von Unternehmen ist die Themenstellung komplexer als im Falle von Privatbesitz) und solche, die mit der Art und Weise zu tun haben, mit der in Österreich leider viel zu oft Politik gemacht wird: aus Eigeninteressen heraus und nicht im Sinne des Gemeinwohls. Woraus sich, zumindest teilweise, auch das mittlerweile ziemlich manifest gewordene Misstrauen in die Demokratie erklärt. Etwas pointiert formuliert, könnte man auch sagen, dass hier Klientel- und Gerechtigkeitsinteressen einander diametral gegenüberstehen. Wobei es die Blockiererinnen und Blockierer einer Erbschaftssteuer grundsätzlich viel leichter haben als deren Befürworterinnen und Befürworter. Weil sie – Stichwort "Häuslbauer" – bloß Ängste zu schüren brauchen, um zu verunsichern und die Zustimmung zur Erbschaftssteuer – auch wenn sie jetzt eher als Reichensteuer daherkommt – bröckeln zu lassen.

Reflexartige Ablehnung

Momentan ist es daher so, dass die Wiedereinführung einer Erbschaftssteuer zwischen den beiden Regierungsparteien offenbar kein Gesprächsthema ist, schon gar nicht zwischen Regierung und Opposition. Da geht gar nichts, da gibt es nur reflexartige Ablehnung, komplette Diskussionsverweigerung. Warum wohl? Obwohl inzwischen nicht nur die OECD und auch etliche – keineswegs "linkslinke" – Experten wie Gabriel Felbermayr (Wifo) oder Christoph Badelt (Fiskalrat) für eine Erbschaftssteuer eintreten. Weitblickend und staatsmännisch kann man ein solches Verhalten jedenfalls nicht nennen!

Vorteile benennen

Aber gibt es denn gar keine Hoffnung? Ja, die gibt es, wenn man die Vorteile einer "Erbschaftssteuer neu" konkret und nachvollziehbar auf den Punkt bringt. Und wenn der Nutzen, den sie stiftet, auch noch gesellschaftlich legitimierbar ist – umso besser!

So könnte Geld aus einer Erbschaftssteuer zum Beispiel in eine verbesserte Pflege für betagte Menschen fließen, wo es bekanntlich einen großen Finanzierungsbedarf gibt. Oder in ein sogenanntes Grunderbe für Junge – sagen wir einmal 30.000 Euro pro junger Frau, pro jungem Mann –, das, sollte es umgesetzt werden, jedem jungen Menschen in Aussicht gestellt werden könnte, wenn sie oder er großjährig wird oder das 25. Lebensjahr erreicht. Bei 90.000 Anspruchsberechtigten in einem Jahrgang würde ein solches richtungsweisendes Projekt Erbschaftssteuereinnahmen in der Höhe von 2,7 Milliarden Euro jährlich erfordern.

Dieses Modell ist nicht neu, sondern geht auf den bereits verstorbenen britischen Ökonomen Anthony Atkinson zurück, in die Welt gesetzt wurde es aber offenbar noch nirgends. Wie viel tatsächlich als Grunderbe ausgezahlt werden könnte, hinge natürlich von der konkreten Ausgestaltung der Steuer ab. Vielen jungen Menschen würde ein derartiges Grunderbe den Start ins Leben erleichtern, wenn für sie nicht sogar ein wichtiges Sprungbrett in die eigene Existenz darstellen. Noch dazu, wenn man bedenkt, dass etwa die Hälfte der Bevölkerung eines Tages mangels vermögender Eltern ohnehin kaum ein Erbe zu erwarten hat.

Viel zu gewinnen

Aber auch jene, die dieses Modell mit der von ihnen zu entrichtenden Erbschaftssteuer finanzieren würden, hätten durch eine Erbschaftsbesteuerung viel zu gewinnen. Einerseits, vielleicht wichtigster Gewinn, eine – angesichts von Klimawandel und anderen möglichen künftigen Krisen – sozial stabilere und lebenswertere Gesellschaft. Dass wir eher unsicheren Zeiten entgegensteuern, ist ja kein Geheimnis. Andererseits würden sie aber auch von einer durchaus erwartbaren höheren gesamtwirtschaftlichen Prosperität profitieren. Je mehr Bildungs-, Start- und Lebenschancen eine Gesellschaft ihren Mitgliedern, vor allem sozial benachteiligten, nämlich eröffnet, desto besser steht sie insgesamt da. So gesehen kann sich aus guten Gründen eigentlich keine einzige Partei einer Erbschaftssteuer in neuer Form ernsthaft verschließen! Doch wer schreibt das manchen Parteien angesichts total verhärteter Positionen schon ins Stammbuch? (Josef Redl, 31.1.2023)