Eines muss man Boris Pistorius lassen. Der neue deutsche Verteidigungsminister geht seinen Job mutig und weitsichtig an – auf eine Weise, wie man sich das von einem EU-Schlüsselminister in Zeiten des russischen Bedrohungskrieges erwarten darf und muss. Was für ein Unterschied zu seiner Vorgängerin Christine Lambrecht!
Die hatte ihr Land lange – zu lange – der Lächerlichkeit ausgesetzt – Stichwort 5000 Schutzhelme für Kiew und Silvesterknallervideo. Nun aber, während die Bevölkerung noch aufgeregt über die Lieferung von Kampfpanzern Leopard 2 nach Kiew diskutiert, wagt Nachfolger Pistorius den nächsten Schritt nach vorn. Die von Kanzler Olaf Scholz initiierten 100 Milliarden Euro Sonderdotierung für die marode Bundeswehr reichten nicht, auch der reguläre Verteidigungsetat von 56 Milliarden Euro müsse aufgestockt werden, forderte er.
Das wird vielen nicht gefallen. Es bedeutet, dass Deutschland aufrüsten, seine beträchtliche Rüstungsindustrie ausweiten wird – so wie andere Partnerstaaten in EU und Nato auch. Frankreich tut es bereits. Überraschend ist das nicht. Seit gut zehn Jahren fordern die USA die Europäer auf, die Militärausgaben zu erhöhen. Beim Nato-Gipfel 2014, kurz nach der Krim-Annexion, wurde es mit Präsident Barack Obama beschlossen.
Deutschland war damals weit hinten, wofür Donald Trump Angela Merkel noch 2018 übel vorführte. Nun will Berlin aufholen – hoffentlich eingebunden im europäischen Verbund.(Thomas Mayer, 30.1.2023)