Wie viele Männer von edlem Geblüt die Krone auf den Kopf geklotzt bekamen, ist nicht restlos geklärt. Als gesichert gilt aber, dass spätestens ab Konrad II. (1024 n. Chr.) den meisten römisch-deutschen Kaisern und Königen, die bis 1806 halb Europa regierten, diese symbolische Legitimation zuteilwurde. Die allermeisten davon waren Habsburger, in deren Nachlass die Krone bis heute in der Wiener Schatzkammer ihr erhabenes Vitrinendasein fristet. Nun soll sie erstmalig mit modernsten wissenschaftlichen Methoden vor allem hinsichtlich ihrer Materialbeschaffenheit untersucht werden.

Die Reichskleinodien bestehen aus der Krone, dem Reichsapfel und dem Reichsschwert. Das Ensemble wurde ursprünglich in Nürnberg aufbewahrt, mit den Napoleonischen Kriegen gelangte es nach Wien.
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Wann, für wen und wie genau die Krone entstanden ist, ist eine der zentralen Fragen, denen sich das internationale Forschungsprojekt des Kunsthistorischen Museums in den nächsten Jahren widmet. Erste Ergebnisse wurden am Montag bekanntgegeben, die Website projekt-reichskrone.at präsentiert diese anschaulich und laufend für die Öffentlichkeit, eine vom ORF und Arte produzierte Dokumentation ist geplant. 2025 soll das Projekt womöglich in eine Ausstellung münden, jedenfalls aber will das KHM damit seiner geplanten, bis dato noch nicht finanzierbaren Neuaufstellung der Schatzkammer Vorschub leisten.

3,5 Kilo schweres Achteck

Viel spricht heute dafür, dass die Krone nicht wie bisher gedacht aus der Zeit der Ottonenkönige (vor 980 n. Chr.) datiert, sondern möglicherweise erst für Konrad II. oder Konrad III. (1138 n. Chr.) in einem Stück geschaffen wurde.

Klar ist: Mit 3,5 Kilo bekamen die Auserwählten nicht nur eine der größten und gewichtigsten derartigen Insignien aufs Haupt gewuchtet, sondern mit ihr auch gleich die gesamte Würde und Bürde des untergegangenen Römischen Reichs mit umgehängt. Denn das Heilige Römische Reich, später mit dem Zusatz der "deutschen Nation" versehen, verstand sich als christlicher Erbe des antiken Imperium Romanum.

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Die Krone, reich an Symbolik, ist achteckig statt rund, weil der Bibel nach acht Menschen die Sintflut überlebt hatten. Man dichtete der Krone an, sie sei bereits von Karl dem Großen, der als Charlemagne auch den Franzosen als Reichsgründer gilt, getragen worden – ein längst widerlegter Mythos, der angesichts der mittelalterlichen Sitte, sich Stammbäume bis zurück zu Adam und Eva, gerne auch inklusive des Propheten Mohammed, auszudenken, nicht verwundert.

142 Steine, kein Diamant

Unterm Mikroskop wurde nun erstmals genau erfasst, wie oft Hand an das Prunkstück der sogenannten Reichskleinodien, zu denen auch Reichsapfel und Reichsschwert gehören, gelegt wurde. Ziemlich oft. Denn zu allen Zeiten wurde ersetzt, repariert, gebohrt und gehämmert. Korrosion setzt den eingelegten Emaillebildchen zu, im Profil betrachtet ist sogar mit freiem Auge zu sehen, dass 1000 Jahre nicht spurlos vorübergegangen sind: Das abnehmbare Kreuz am Stirnende ist verbogen, die eingesetzten Steine tragen Spuren ihres Vorlebens als Teil anderer Schmuckstücke.

Die Reichskrone bei einer Untersuchung: Das Prunkstück wird in den nächsten Jahren nach modernstem Stand der Technik interdisziplinär beleuchtet.
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Mittels eines Lasers werden die insgesamt 142 Edelsteine und 224 Perlen, die den Goldgrund zieren, erfasst: Es handelt sich mehrheitlich um blaue Saphire, zudem um Granate, Smaragde, Amethysten – Diamanten als wertvollste Steine finden sich nicht. Die Herkunft der Steine ist schwer zu bestimmen, neben Europa (Amethysten) dürften sie aus der ganzen damals bekannten Welt stammen: dem Mittelmeerraum, Ägypten, Arabien, Indien.

Es sind auch Steine verloren gegangen. Dass die Krone nämlich durchaus einmal vom Pölsterchen gerutscht ist, gilt als verbrieft. Von Walther von der Vogelweide wurde sie besungen, von Albrecht Dürer meisterhaft gemalt. Während der napoleonischen Kriege wurden die Reichskleinodien von Nürnberg nach Wien evakuiert. Hitler ließ sie später zur Demütigung Wiens an ihren ursprünglichen Aufbewahrungsort schaffen, 1946 kehrten sie wiederum nach Wien zurück.

Zuletzt getragen wurde die Krone von Kaiser Franz II. von 1792 bis 1806. Unter dem Druck Napoleons legte dieser die Krone endgültig nieder, das Heilige Römische Reich verschwand. Den Titel Kaiser aber – er kommt von Cäsar – sollten sich auch danach noch viele überstülpen. (Stefan Weiss, 30.1.2023)