Die niederösterreichische Volkspartei sprach an ihrem bittersten Wahlabend nicht ohne Grund von einer "Welle des Protests", die "auch vor Landesgrenzen nicht haltmacht": In der Logik der einst so mächtigen Landeshauptfrau-Partei kann nichts anderes als eine unkontrollierbare Naturgewalt dafür sorgen, dass sie eine Wahl verliert. Die Teuerung, der Krieg, das Klima – alle tragen Schuld am Wahldebakel. Außer der Volkspartei selbst.

Dass die Regierungspartei in der schwierigstmöglichen Situation in die Landtagswahl gegangen war, ist klar. Natürlich spielt der diffuse Frust über die Folgen diverser Krisen in der Bevölkerung eine Rolle beim schlechten Ergebnis der ÖVP. Und gegen die FPÖ als Sammelbecken für Unzufriedene hat bisher noch keine Partei innerhalb des Verfassungsbogens ein Rezept gefunden. Dass das Aufbauschen des Migrationsthemas nicht die Wunderwaffe gegen die Blauen ist, sollte die Volkspartei nun aber jedenfalls gelernt haben.

Am Sonntag wurde die absolute Mehrheit als Regierungsmodell der ÖVP in Niederösterreich abgewählt.
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Es gibt aber auch eine bittere Pille, die die ÖVP offenbar noch nicht zu schlucken bereit ist: Am Sonntag wurde die absolute Mehrheit als Regierungsmodell in Niederösterreich abgewählt. Wenn eine unvergleichlich starke Wahlkampfmaschinerie wie die ÖVP Niederösterreich es nicht einmal schafft, ihre Mehrheit in der Proporz-Landesregierung zu verteidigen, dann ist das nicht nur ein Zeichen für Gegenwind von außerhalb der Landesgrenzen. Sondern auch für Unzufriedenheit mit der Arbeit im Land – und dem Auftreten der Volkspartei.

Arbeitsübereinkommen

Mit welcher Selbstverständlichkeit die Partei das gesamte Land für sich vereinnahmt, zeigte sie im Wahlkampf. Sie nannte sich nicht nur "Niederösterreich-Partei", sondern färbte sich auch in den offiziellen Landesfarben ein: Die niederösterreichische Volkspartei war ja schon lange weder schwarz noch türkis, sondern blau-gelb. Dass sich das mit dem Design der hoheitlichen Wahlinformationen des Landes deckte, mit der Beleuchtung des Landhauses und sogar mit dem Landeswappen: ein praktischer Zufall. Über Wochen erweckten Johanna Mikl-Leitner und ihr Apparat den Eindruck, dass sich die Bevölkerung am 29. Jänner für oder gegen Niederösterreich entscheiden würde. Das gipfelte im Propagieren des Horrorszenarios "Blau-Gelb oder Blau-Rot". Ob nicht auch diese Gleichsetzung von Land und Partei zahlreiche Wählerinnen und Wähler abgeschreckt hat, wird sich die Volkspartei gut anschauen müssen.

Auch das "Miteinander" innerhalb der Landesregierung in den vergangenen fünf Jahren wird auf dem Prüfstand stehen: SPÖ und FPÖ bestellten Landesräte, die hatten aber gegen die Mehrheit der ÖVP nichts zu sagen. Mikl-Leitners Angebot: Schließen wir Arbeitsübereinkommen, und ihr dürft ein bisschen so tun, als würdet ihr mitregieren.

In erstaunlicher Offenheit illustrierte der scheidende Klubobmann Klaus Schneeberger das am Montag im ORF-Radio, als es um die künftige Verteilung der Zuständigkeiten in der Landesregierung ging: Es sei ein Unterschied, ob man mit absoluter Mehrheit Kompetenzen verteile oder ob man diese tatsächlich verhandeln müsse. "Wir können nicht mit unserer Stärke verhandeln", sagte Schneeberger – künftig müsse man "auf Augenhöhe mit den Partnern, die wir als Regierungspartner wollen" sprechen. Verhandlungen auf Augenhöhe, das ist ein Novum in St. Pölten. (Sebastian Fellner, 30.1.2023)