Chrysanthemen werden in China oft im Zusammenhang mit Totengedenken verwendet.

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Zumindest wenn es nach der chinesischen Regierung geht, hat die Corona-Welle nun ihren Gipfel überschritten. Von der Nationalen Gesundheitsorganisation war am Wochenende zu hören, dass die Zahl der Krankenhauseinweisungen während des Frühlingsfestes geringer als erwartet ausgefallen war. Die meisten Infektionen hätte es Ende Dezember gegeben, nun seien die Zahlen bereits stark gesunken. So hätten am 27. Jänner noch etwas mehr als zwei Millionen Menschen wegen einer Covid-Erkrankung Hilfe in Notaufnahmeeinrichtungen und bei Ärzten gesucht, rund 30 Prozent weniger als eine Woche zuvor, als die Ferienwoche begann. Das Schlimmste ist also vorbei, lautet die Botschaft.

Mit Zahlen, die direkt von der chinesischen Regierung kommen, ist es allerdings so eine Sache. Sie müssen nicht von vornherein falsch sein, aber sie sind eher als Zielmarken anstatt als Messdaten zu verstehen. So zumindest funktioniert es bei wirtschaftlichen Kennzahlen: Die Regierung gibt ein Ziel aus, und alle versuchen es dann zu erreichen. Analysten und Journalisten suchen deswegen stets gerne Umwege, um der Wahrheit etwas näher zu kommen. Bei volkswirtschaftlichen Daten ziehen sie zum Beispiel Elektrizitätsverbrauch und Frachtaufkommen heran, um Aufschluss über das tatsächliche Wirtschaftswachstum zu bekommen.

Blumen und Krematorien

Im Falle von Corona-Toten sind es Chrysanthemen. Die Blumen sind eigentlich ein Symbol für langes Leben, werden aber oft bei Beerdigungen gekauft. In Wuhan und der Provinz Hubei sollen diese in den vergangenen Tagen ausverkauft gewesen sein. Auch die Aktivität von Krematorien soll Hinweise auf die tatsächlichen Todeszahlen geben.

China nämlich hatte während der Pandemie einen eigenwilligen Kurs gefahren. Nahezu drei Jahre lang hatte die Regierung das Land von der Außenwelt fast völlig abgeschirmt. Wer hineinwollte, musste ein langwieriges Prozedere aus Tests und Quarantäne über sich ergehen lassen. Kam es trotzdem zu Corona-Infektionen, wurden ganze Metropolen lahmgelegt. So litt die 26-Millionen-Stadt Schanghai im Frühjahr vergangenen Jahres drei Monate lang unter einem strikten Lockdown.

Als diese Zero-Covid-Politik wegen immer ansteckenderer Varianten nicht mehr zu halten war und die wirtschaftlichen Flurschäden größer wurde, kam im vergangenen Dezember die Kehrtwende. Innerhalb weniger Tage strich die Regierung sämtliche Einschränkungen und Vorsichtsmaßnahmen. In großem Stil geimpft hatte China aber nie. Mehrere Angebote der großen Pharmaunternehmen bezüglich mRNA-Impfungen lehnte Peking ab. Stattdessen setzte man auf Medikamente aus der traditionellen chinesischen Medizin (TCM), um Infektionen zu heilen.

Priorität: Binnenkonsum

Gleichzeitig begann vor zwei Wochen die Ferienzeit – und damit die größte Reisewelle des Landes. Denn anlässlich des chinesischen Neujahrsfests reisen hunderte Millionen Chinesen zu ihren Familien auf das Land.

Oberste Priorität der Regierung hat jetzt eine schnelle Belebung des Binnenkonsums. Dieser soll unter anderem den Verkauf von Elektroautos fördern und den Immobilienmarkt stimulieren. Die Stadt Schanghai zum Beispiel will mit Reise- und Konsumgutscheinen nachhelfen. Die Regierungen der Provinzen geben derzeit ihre Wachstumsziele aus: Guangdong, eine Provinz, die wegen ihrer Wirtschaftskraft auch "Fabrik der Welt" genannt wird, will dieses Jahr eine Steigerung von fünf Prozent. Und da es sich um offizielle Vorgaben und Ziele handelt, dürften die Ergebnisse ein Jahr später diesen auch ziemlich genau entsprechen. Ob sie tatsächlich stimmen, ist eine andere Frage. (Philipp Mattheis, 1.2.2023)