Erwin Pröll, der Altlandeshauptmann von Niederösterreich, hatte für seine ÖVP einen Ratschlag parat: Nach einem solchen Wahlergebnis seien Demut und Selbstkritik entscheidend. Beides lässt Johanna Mikl-Leitner, die aktuelle Landeshauptfrau, vermissen: kein Funke Demut, nicht der leiseste Anflug von Selbstreflexion. Im Gegenteil: Mikl-Leitner suchte die Fehler überall anders, nur nicht bei sich selbst oder ihrer Partei. Schuld seien alle anderen: die Bundespolitik, die Protestwelle, die böse FPÖ, die unfairen Angriffe der anderen.

Johanna Mikl-Leitner, die aktuelle Landeshauptfrauvon Niederösterreich,.
Foto: Heribert CORN

Keine Frage, knapp 40 Prozent sind trotz des Minus immer noch ein sehr gutes Ergebnis. Aber wenn die ÖVP ihren Erosionsprozess nicht weiter fortsetzen oder gar beschleunigen will, wird sie einiges ändern müssen. Auch sich selbst. Die Zeiten der Selbstherrlichkeit sind vorbei.

Die ÖVP ist nicht Niederösterreich und umgekehrt, das wird noch ein Lernprozess werden. Und es gibt sehr wohl Themen, die nach Verbesserung verlangen und die auch das Land vorantreiben kann: Kinderbetreuung, Verkehr, Gesundheit, Bildung, politische Teilhabe und Kontrolle.

Die Allmachtsansprüche sind vielleicht mit dem Wahlergebnis runtergeräumt. Die ÖVP wird teilen müssen, nicht nur Macht, auch Informationen. Das Land braucht Transparenz. Das Selbstverständnis der Bürgerinnen und Bürger ist ein anderes geworden. Davon kann auch die ÖVP profitieren. Voraussetzung: die Bereitschaft zu Demut und Selbstkritik. (Michael Völker, 31.1.2023)