An diesem Montag wurde auf dem Wiener Zentralfriedhof in einem Ehrengrab der Stadt Wien Kurt Kalb beigesetzt. Kalb war schon Ende Dezember im Alter von 87 Jahren verstorben.

Das Etikett, das ihm in etlichen (knappen) Nachrufen aufgeklebt wurde, lautete "Szenewirt" und "Kunsthändler". Das war er auch, aber er war mehr – er war ein Ermöglicher. Einerseits für die Wiener Avantgarde der bildenden Kunst in den 60er- bis 80er-Jahren, für die Kunst überhaupt; andererseits für ein Lebensgefühl einer politisch-journalistischen Generation, die mit dem Liberalisierungs- und Modernisierungsschub der späten 70er-Jahre aufgewachsen war.

Porträt: Tamara Starl.
Foto: Hans Rauscher

Kurt Kalb stammte aus einfachen Vorarlberger Verhältnissen und kam in ein graues, muffig-spießiges Wien der 60er-Jahre. Binnen kurzem bewegte er sich in einer künstlerischen jungen Avantgarde, deren Namen heute zu Ikonen geworden sind: Konrad Bayer, Oswald Wiener, Gerhard Rühm, Walter Pichler, Arnulf Rainer, Günter Brus, Bruno Gironcoli, Christian Attersee, Valie Export, Maria Lassnig, Martha Jungwirth, Dominik Steiger. Den meisten bot Kalb in seiner legendären Galerie in der Grünangergasse 12 eine Basis, wobei er die durchaus noch bekämpfte Avantgarde zum Teil mit herkömmlichem Kunsthandel finanzierte.

Sozialdemokratischer Einschlag

Einmal nahm er einen Freund in seine Räumlichkeiten in der Bäckerstraße mit und zeigte ihm ein atemberaubendes Werk, das drei mal 4,7 Meter große Ölgemälde Gustav Mahler dirigiert die Philharmoniker von Max Oppenheimer ("MOPP"). Diese Zweitfassung eines Hauptwerks des bedeutenden Spätexpressionisten Oppenheimer kam dann in den Besitz des Bundes und ist als Leihgabe im Belvedere.

Ende der 70er-Jahre gründete Kalb dann gemeinsam mit seiner (schon länger verstorbenen) Lebensgefährtin Evelyn Oswald das Lokal Oswald & Kalb, ebenfalls in der Wiener Bäckerstraße. Die relativ kleinen Räume wurden sofort zum Zentrum jener in Kunst, Literatur, Politik, Journalismus, die ein liberaleres, weltoffeneres, letztlich cooleres Wien und Österreich suchten. Dazwischen Lebenskünstler(innen) aller Schattierungen. Ganze Redaktionen (Profil, Falter, aber auch Kurier und Krone und ORF) entsandten Stammgästeabordnungen.

Der sozialdemokratische Einschlag war natürlich gegeben, da die Bewegung damals Intellektuelle und Modernisierungswillige stark anzog. Bruno Kreisky zählte, auch nach seiner Kanzlerschaft, zu den Gästen. Aber man konnte manchmal auch Erhard Busek dort sehen. Jörg Haider wäre einmal gern gekommen, wurde aber nicht hereingelassen. Nicht alle Gäste haben ein gutes Ende genommen, aber Kalb behielt den Überblick: "Madl, von dem lasst di net einladen", sagte er zu jungen Frauen, auf die Udo Proksch ein Auge geworfen hatte.

Kalb gab noch den Anstoß für eine ganze Reihe anderer In-Lokale. Dann verkaufte er und zog sich nach Niederösterreich zurück. Seine Intendanz der "Wiener Szene" war zu Ende.

Natürlich kann man "Schickeria" zu der damaligen Szene rund um Kalb sagen – wenn man böswillig ist. Im Kern war es ein – sehr österreichischer – Weg zu mehr geistiger Freiheit und Luft zum Atmen. Vieles davon ist heute selbstverständlich. Doch etwas von damals fehlt. Kurt Kalb fehlt. (Hans Rauscher, 1.2.2023)