Foto: Marco Borggreve

Wien – Einen Abend ganz im Zeichen Sergei Rachmaninows: Nikolai Lugansky präsentierte im Mozart-Saal im Wiener Konzerthaus ein anspruchsvolles Programm mit der Musik seines Lieblingskomponisten. Wer Rachmaninow mit schwelgerischer Romantik in Verbindung bringt, wurde eines Besseren belehrt, denn der Moskauer Meisterpianist setzte am Montag auf emotionale Klarheit und kontrollierte Ekstase.

Das ist gar nicht verkehrt, denn für Rachmaninow braucht es nicht nur Technik, sondern auch guten Geschmack. Das Rezital eröffnete Lugansky mit den selten gespielten, im Konzerthaus erst einmal aufgeführten Variationen über ein Prélude von Frederic Chopin. Der Variationszyklus ist eine Hommage des knapp 30-jährigen Komponisten an das verehrte Vorbild und vereint sämtliche Facetten, die das Klavier zu bieten hat: zarte Lyrismen, stürmische Akkordzerlegungen, perlende Läufe und Polyphonie.

Es gab schon bessere Steinway-Flügel

Luganskys technische Fertigkeiten sind stupend, ebenso wie die Fähigkeit, das Werk mit seinen ausschweifenden Phrasen und komplexen Dimensionen – der Komponist dachte auch in seinen Soloklavierwerken symphonisch – klar zu durchleuchten. Nur emotional zündet dieser Rachmaninow irgendwie nicht. Luganskys Spiel wirkt beherrscht, bisweilen sogar unterkühlt; in den leisen Passagen vermisst man das subtil kantable Klavierspiel eines Daniil Trifonov ebenso wie die Gelassenheit im Umgang mit Rachmaninows rauschhafter Romantik.

Dazu muss man sagen, dass es auf der Bühne schon bessere Steinway-Flügel gab. Ausgerechnet im oberen Register fehlte es dem Instrument an Klangfarben. Für einen Rachmaninow wenig prickelnd.

Musik über den "Duft nach Erde"

1911 entstanden Sergei Rachmaninows Études-Tableaux op. 33, die im Konzerthaus überhaupt erst 2002 erstaufgeführt wurden. Rachmaninow komponierte sie auf seinem Landsitz in Iwanowka, wo ihn der "Duft nach Erde" und die "Aromen von allem, was wächst und blüht", zum Schreiben inspirierten. Die Stücke sind mehr als "Bildstudien" gedacht denn als Etüden: Statt mit den Techniken des Klavierspiels setzte sich Rachmaninow darin mit einer Vielzahl an Themen, Texturen und Klangfarben auseinander.

Lugansky, der sich erneut von seiner romantisch abgeklärten Seite zeigte, gelangen jedoch Momente von berückender Schönheit. Etwa die filigranen, orientalisch anmutenden Figuren im C-Dur-Stück oder die zweiteilige Etüde in C-Dur und c-Moll, die Lugansky als ebenso schlichtes wie stimmungsvolles Bild zwischen Leben und Tod malte. Winterlich düster wirbelt "Der Schneesturm" in es-Moll vorbei, gefolgt von einem melancholisch-verträumten Herbsttag in g-Moll.

Ebenfalls zu den selten aufgeführten Klavierwerken Rachmaninows zählt die Sonate Nr. 1 d-Moll. Inspiriert von Goethes Faust, entspinnt sich hier ein Kampf zwischen Gut und Böse, ohne Aussicht auf Erlösung. Das monumentale symphonisch angelegte Werk gestaltete Lugansky als virtuosen, von tiefer Sehnsucht durchzogenen Parforceritt. Auf den begeisterten Applaus folgten drei Zugaben von Bach und Rachmaninow. (mda, 31.1.2023)