Kogelniks "Frauenbilder"-Serie aus den 1970ern mischt modische Ästhetik und feministisches Statement.
Foto: Kiki-Kogelnik-Foundation

Die Frau mit dem kecken Spitznamen wusste von Anfang an, sich zu vermarkten. Kiki Kogelnik entwarf sogar Stempel, mit denen die 1935 als Sigrid in Graz geborene Künstlerin Postkarten und Briefe signierte: Sie grüßte mit "Bussi Kiki" oder gedrucktem Gesicht. Ihren Werken gab sie catchy Titel wie I Have Seen the Future und erhob Kiki zur Kunstmarke.

Früh verstand es Kogelnik, die an beiden Wiener Kunstakademien studiert hatte, sich einen Namen zu machen und zu netzwerken, um in der männerdominierten Kunstwelt der 1960er bestehen zu können. Die Inszenierung als Fashion- und Party-Girl verstellte allerdings zunehmend ihre Kunst, das vielschichtige Werk der im kärntnerischen Bleiburg aufgewachsenen Künstlerin wurde lange auf wenige Arbeiten wie ihre gläsernen Kopfskulpturen beschränkt, mit denen sie in Österreich in eine Kitschnische gestellt wurde. In der Wiener Szene galt sie als Spaßmacherin und wurde lange Zeit nicht ernst genommen.

Dies änderte sich in der letzten Dekade: 2013 widmete die Kunsthalle Krems Kogelnik eine große Einzelschau, internationale Institutionen stellten Werke der 1997 verstorbenen Österreicherin verstärkt aus, und erst 2021 war sie in der imposanten Ausstellung The Milk of Dreams auf der Venedig-Biennale vertreten. Am Donnerstag eröffnet das Bank-Austria-Kunstforum Wien die bisher umfassendste Retrospektive, die dann nach Zürich und ins dänische Brandt reist, mit dem – von einem Werk Kogelniks inspirierten – Titel Now Is the Time. Tatsächlich: Die Zeit für Kiki ist längst gekommen.

Kiki Kogelnik bei der Arbeit an einer ihrer "Bombs"-Skulpturen in ihrem New Yorker Atelier im Jahr 1965.
Foto: Kiki Kogelnik Foundation

Mensch und Maschine

Das vielseitige Œuvre, das von abstrakter Malerei über poppige Skulpturen bis zu Keramiken und Performances reicht, weise erstaunliche Aktualität auf, sagt Kuratorin Lisa Ortner-Kreil. In enger Kooperation realisierte sie die Schau mit der Kogelnik-Foundation, woher auch der Großteil der gezeigten Werke stammt und mit Leihgaben aus privaten Sammlungen sowie Museen wie dem Mumok oder dem Pariser Centre Pompidou ergänzt wird.

Zum einen beschäftigte sich Kogelnik Mitte der 1960er-Jahre mit zukunftsweisenden Themen wie Raumfahrt, Robotik und medizinischen Neuerungen. Rund 20 Jahre vor dem aktuell gefeierten A Cyborg Manifesto der Theoretikerin Donna Haraway vermischte Kogelnik in akribischen Zeichnungen bereits Mensch und Maschine. In ihrem 1963 entstandenen Gemälde Fly Me to the Moon griff sie die Mondlandung voraus, ihre Bombenhülsen-Skulpturen waren kritische und zugleich ironische Kriegsrelikte. Zum anderen begeistern ihre Werke mit einer bunt-quietschigen Ästhetik und schlagen mit den darin präsenten, später meist weiblichen Körpern deutlich feministische Töne an.

Schwerelos treiben Kogelniks Körperumrisse in einem Kosmos aus geometrischen Formen und neonbunter Üppigkeit.
Foto: Kiki Kogelnik Foundation

Die großteils chronologisch aufgebaute Schau stellt die Schaffensphase der Sechziger ins Zentrum. Nach Anfängen in Wien, wo sie ihre als "heiter" beschriebenen Gemälde in der für die heimische Avantgarde bedeutenden Galerie St. Stephan ausstellte, ging sie 1962 nach New York. Ein prägender Schritt für die damals 27-Jährige, machte sie dort doch mit der Pop-Art-Szene und Künstlern wie Roy Lichtenstein oder Claes Oldenburg Bekanntschaft. Zwar gilt Kogelnik heute als einzige österreichische Vertreterin der Pop-Art, sich selbst sah sie nur ungern in dieser Tradition. In der damals entstandenen Marilyn-Monroe-Serie ist die Evolution von der Abstraktion zur figurativen Flächigkeit deutlich ablesbar. Kikis neues Motto: "Kunst kommt von künstlich."

Kogelnik bevölkerte ihre Bilder mit lebensgroßen Körpern, die sie als Umrisse von sich selbst und Bekannten auf die Leinwand übertrug. Schwerelos treiben sie in einem Kosmos aus geometrischen Formen und neonbunter Üppigkeit. Daraus entwickelte sie ihre berühmten Hangings weiter: Die Plastik-Abgüsse hängte sie wie farbige Hautfetzen auf Kleiderbügel sowie Wäschespinnen und holte ihre Figuren so skulptural in den Raum. Im Fast-Fashion-Style füllen sie in der Ausstellung vier Kleiderstangen.

Eine amüsante Fotoreihe erinnert an eine Performance aus dem Jahr 1967: Mit ausgeschnittenen Körpern aus Schaumstoff spazierte die Künstlerin durch Wien und ließ diese in der Innenstadt bei der Staatsoper von Wäscheleinen wehen – zur offensichtlichen Verwunderung der älteren Passanten.

Berühmte "Hangings": Die Plastikabgüsse hängte die Künstlerin wie farbige Hautfetzen auf Kleiderbügel und Wäschespinnen.
Foto: Kiki Kogelnik Foundation

Ästhetik als Schutzschild

Zwar wandelt sich Kogelniks Werk über die Jahrzehnte enorm – das Symbol der Schere und das Cut-Out ziehen sich allerdings durch. Waren es zu Beginn Körperumrisse und in ihrem Spätwerk verspielte Keramikobjekte, so entstanden in den 70er-Jahren ihre von Modemagazinen inspirierten Frauenbilder. Für diese entwarf sie Kleiderschablonen, die sie den extravagant posierenden Models als flächige Malerei überstreifte. In den gemusterten Kostümen vereinte Kogelnik die damalige Mode und die Formensprache der Wiener Werkstätte.

Doch unter der knallig-künstlichen Oberfläche – die wie ein Schutzschild funktioniert – lauert ein feministischer Aufschrei. Ortner-Kreil hält fest, dass es sich dabei nicht unbedingt um selbstbewusste Figuren handelt. Vielmehr wirken die übergroßen Frauen wie versteinerte Comic-Puppen. Ihre Münder grotesk, zum stummen Schrei geöffnet, ihre leblosen Augen aufgerissen. "They come from an angry place", sagte Kogelnik einmal über sie. Diese Kostümierung mündet schließlich in überzogenen Selbstporträts. Nur ein spätes Kleinformat zeigt Kogelnik – bereits mit kurzen Haaren – komplett unmaskiert.

In jedem Raum lockt die sehenswerte Schau in ein weiteres Fächlein des Kogelnik'schen Setzkastens, in dem man durchaus den Überblick verlieren kann. Manche Stellen sind etwas dicht besetzt, andere wieder recht locker. Insgesamt schafft die Präsentation ein Bild, das dieser wichtigen Künstlerin und ihrem üppigen Werk gerecht wird. (Katharina Rustler, 1.2.2023)