Auch Pascal Cheng (16), im Vorjahr im Einzel Dritter der Europäischen Olympischen Jugendspiele, ist bei den Staatsmeisterschaften in Wien zu sehen.

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Manuel Rösler macht sich Gedanken über seinen Sport.

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Hand aufs Herz: Hätten Sie gewusst, dass ab 3. Februar in der Wiener Stadthalle die Badminton-Staatsmeisterschaften stattfinden? Manuel Rösler wusste es, ist er doch Trainer bei Veranstalter WAT Simmering, dem größten Verein des Landes. Der 41-Jährige spricht vorab über das zu brave Badminton, Ehrenamtlichkeit und Österreichs Problem mit Spitzensport.

STANDARD: Badminton hat in Österreich eine immense Hobbybasis, fällt aber bei der Beachtung als Spitzensport gewaltig ab. Warum?

Rösler: Das hat mehrere Gründe: die österreichische Sportkultur, die Vermarktung, die mediale Berichterstattung, aber auch das Selbstbild des Badmintonsports. Natürlich fehlt es primär an finanziellen Mitteln, und das ist das Resultat. Das Produkt, also der Sport selbst, ist fantastisch. Man sieht in Asien oder in Dänemark, dass Badminton als populärer Sport funktioniert.

STANDARD: Gut, der Reihe nach: Sie sind mit WAT Simmering Ausrichter der österreichischen Staatsmeisterschaften. Mit Verlaub, außerhalb der Community wissen das nicht viele. Warum schafft man es nicht, Aufmerksamkeit zu generieren?

Rösler: Es fehlt vor allem der Eventcharakter. Ein Sport gewinnt an Popularität, wenn neue Fans hinzukommen und man es sich nicht nur in der eigenen Bubble gemütlich macht. Im Badminton ist aber genau das der Fall. In Dänemark haben sie einmal ein Turnier in einem Zirkus veranstaltet, das Publikum konnte den Stars bei Bier und Popcorn zujubeln. Das war für mich ein Schlüsselerlebnis.

STANDARD: Sie wollten ursprünglich Tickets verkaufen, sind von der Idee aber abgekommen. Ist Spitzensport, wenn er gratis ist, auch billig?

Rösler: Es war zu viel Aufwand für zu wenig Personal. Unser Spartenobmann und ich arbeiten seit vergangenen Juni an der Organisation, wenn wir Tickets verkauft hätten, hätte es Akkreditierungen, zusätzliche Logistik, Einlasskontrollen gebraucht. Wir haben viele ehrenamtliche Helfer und Helferinnen, die aber auch an ihre Grenzen stoßen. Ich habe generell das Gefühl, dass in unserer Gesellschaft die Bereitschaft, sich ohne Gegenleistung für etwas zu engagieren, nicht mehr so gegeben ist wie früher.

STANDARD: In einer perfekten Spitzensportwelt ist man auch nicht auf ehrenamtliche Tätigkeiten angewiesen. Gibt es eine Idee, einen Plan beim Verband, wie man Badminton populärer machen kann?

Rösler: Wenn es eine Idee gibt, dann ist sie bislang nicht bis zu mir durchgedrungen. Wir können so neutral wie möglich formulieren: Es ist viel Luft nach oben in der Zusammenarbeit zwischen dem Verband und uns als Ausrichter. Ich habe aber lange genug im Verband gearbeitet, um die Strukturen zu kennen. Auch ich habe immer jene Leute gehasst, die von außen alles besser wissen. Im Verein haben wir die Mitgliederzahl von 77 auf 225 gehoben, die Staatsmeisterschaften in den vergangenen Jahren in Graz und Dornbirn waren gut organisiert, man sieht also, dass etwas möglich ist. Die Impulse müssen dennoch von oben kommen und können nicht von Einzelnen in den Vereinen ausgehen. Wenn ich Badminton in Österreich mit einem Wort beschreiben müsste, wäre es "ambitionslos".

STANDARD: Ist es in der Nische zu gemütlich?

Rösler: Ja. Am meisten stört mich dieses brave, unterwürfige Selbstbild. Badminton macht sich immer kleiner, als es eigentlich ist. Der Sport ist seit 1992 olympisch, in Asien und in Dänemark sind die Spieler absolute Megastars. Und hier muss man angeblich dankbar sein für alles, was man bekommt. Wenn wir auf Sponsorensuche gehen und man sagt uns: "Eigentlich ist unser Budget schon abgeschlossen, aber hier habt ihr 100 Euro", dann muss man auch den Mut haben, zu sagen: "Nein, lass stecken." Man tut sich mit dem ständigen Kleinreden keinen Gefallen. Es braucht viel mehr Selbstbewusstsein. Wenn man scheitert, dann scheitert man eben, aber man hat es wenigstens probiert.

STANDARD: Es fehlt aber auch sportlich an Zugpferden. Wann gibt es einen österreichischen Badminton-Weltmeister?

Rösler: Davon sind wir meilenweit entfernt, die Dominanz von Asien ist zu groß, in Europa kann nur Dänemark strukturell mithalten. Aber abgesehen von sportlichen Erfolgen fehlen auch die Charaktere, Spieler und Spielerinnen, die für Aufsehen sorgen und sich nicht immer an die Norm halten. Björn Borg war ein Charakter, eine Fashion-Ikone. Den fand man auch abseits des Courts interessant. Die Topspieler in Österreich sind wahnsinnig nette, höfliche und respektvolle Menschen. Wir wollen ja nicht, dass sie sich schlecht benehmen, aber so bleibt man eben unbekannt. Es gibt keine Role-Models, keine Zugpferde. Außerdem hat Österreich keine Spitzensportkultur.

STANDARD: Wie meinen Sie das?

Rösler: Man gibt sich zu schnell zufrieden und will nicht das Maximum rausholen. So stagniert man. Wenn ich ein Kunstsammler bin, dann will ich einen Richter, einen Baselitz, ja, einen Warhol besitzen. Das ist mein Bestreben. Es ist vielleicht schwierig, vielleicht komme ich nie dahin, aber es ist mein Anspruch, und dafür stelle ich alles hintan. Und das ist im Sport genauso. Es reicht nicht, einfach nur ein bisschen seine Zeit damit zu verbringen und Spaß zu haben. Es gibt in Österreich zu wenige, die bereit sind, alles zu opfern, den Wohnort zu wechseln, am Stützpunkt zu trainieren, das Studium hintanzustellen. Nur Talent reicht schon lange nicht mehr.

STANDARD: Sie erwähnten eingangs auch die Rolle der Medien. Ist die Berichterstattung unzureichend?

Rösler: Bei einer Einleitung mit "So schnell fliegt ein Federball" werde ich schon wütend. Badminton ist nun wirklich kein exotischer Sport, die meisten haben es schon einmal gespielt, man muss es nicht immer wieder vorstellen und so tun, als wäre er etwas Neues, etwas Exotisches. Die Sportler werden dann gefragt: "Was gefällt dir eigentlich an Badminton?" Das ist absolut respektlos. Oder würde man das einen Fußballer oder Tennisspieler auch so fragen?

STANDARD: Wohl eher nicht.

Rösler: Es liegt aber auch an den Spielern, zu antworten: "Blöde Frage." Das meine ich mit dem Selbstbewusstsein, das auf allen Ebenen fehlt.

STANDARD: Sport hat ein Problem mit kürzer werdenden Aufmerksamkeitsspannen. Was kann man tun?

Rösler: Mit einer Fokussierung auf ausgewählte Highlights. Es braucht so etwas wie ein Center-Court-Konzept. Das Problem ist die Gewichtung auf die Gleichwertigkeit aller Bewerbe, damit überfordert man das Publikum. Wer will sich in einer Halle sieben Stunden auf vier Courts zig Partien anschauen? Es ist einfach zu viel. Man sollte sich auf die Einzel konzentrieren und diese entsprechend promoten. Im Tennis klappt das ja.

STANDARD: Was sind die Ziele für die Staatsmeisterschaften?

Rösler: Das Wichtigste ist, dass sich die Spieler und Spielerinnen wohlfühlen. Insgesamt wollen wir die Messlatte aber wieder ein Stück weiter nach oben schieben und zeigen, wie es gehen kann. (Andreas Hagenauer, 1.2.2023)