Gashahn zu! Der aktuelle Winter zeigt, dass Einsparungen möglich sind, großteils aber von hohen Preisen getrieben werden.
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Die Art, wie unsere Gesellschaft mit Energie umgeht, hat sich verändert. Russlands Krieg in der Ukraine und die darauffolgende Abkehr von russischem Gas trieben die Energiepreise in die Höhe. Eine neue Debatte zum Energiesparen entstand. Die EU-Politik installierte einen Gaspreisdeckel, lokale Regierungen subventionieren den Strom- und Gasbedarf der Einwohner.

Die dringlichen Aufrufe zum Gassparen haben auf den ersten Blick durchaus Erfolg. Im Herbst 2022 wurde in Österreich knapp 18 Prozent weniger Gas verbraucht als im Schnitt der vorangegangen fünf Jahre, zeigen Zahlen des Austrian Gas Grid Management (AGGM). Rechnet man verzerrende Effekte, etwa das warme Wetter, heraus, bleibt eine "echte" Einsparungsleistung von etwa zehn Prozent, zeigten Forschende der Boku und des Wirtschaftsforschungsinstituts Wifo. Die Daten zeigen auch: Der größte Sparmotivator bleibt ein hoher Preis.

Verständnis für Sparaufrufe

Die Frage bleibt, ob die Politik mit ihrem Mix an Sparaufrufen und Finanzzuschüssen richtig reagiert. Werden zu viele Kosten ersetzt, geht die Lust aufs Sparen verloren. Können Menschen also motiviert werden, auch ohne Preisdruck Gas zu sparen? Und könnte der aktuelle Impuls Anstoß für ein langfristiges Energiesparen sein, das klimawandelrelevante Emissionen bremst?

In die Debatte um Maßnahmen, die die Bürger zum Gassparen motivieren sollen, schaltete sich auch Ortwin Renn immer wieder ein. Der wissenschaftliche Direktor am Institut für transformative Nachhaltigkeitsforschung in Potsdam sieht drei Elemente, die eine wirkungsvolle Kommunikation in diesem Bereich haben muss – und die längst nicht immer erfüllt werden: "Der erste Punkt ist zu verdeutlichen, dass das Gas tatsächlich knapp ist. Zudem muss der Grund, der in diesem Fall in einer wertbezogenen Außenpolitik liegt, klar kommuniziert werden. Wir müssen dafür sorgen, dass es Verständnis für die aktuelle Situation gibt", führt der Nachhaltigkeitsforscher an.

"Solidarität der Gemeinschaft"

"Weiters ist es wichtig, dass die Menschen verstehen, dass wirklich jeder zur Reduktion des Verbrauchs beitragen kann. Auch muss klar sein, dass es eine Solidarität der Gemeinschaft gibt. Jene, die sich die hohen Preise nicht leisten können, werden unterstützt." Gleichzeitig müsse auch das Wie des Sparens gut erklärt sein. Renn: "Die Leute müssen wissen, dass eine Temperaturabsenkung um zwei Grad deutlich mehr bringt als das Abschalten des Wohnzimmerlichts."

Aus vielen ökonomischen Zusammenhängen ist bekannt, dass es in derartigen Situationen immer auch "free rider" gibt – Einzelne, die die Maßnahmen nicht mittragen und dadurch profitieren. Eine wirkungsvolle Kommunikationsstrategie, die einen großen Anteil der Bevölkerung mit an Bord holt, ist positives Feedback. "Die Politik muss immer wieder betonen, was das positive individuelle Verhalten schon gebracht hat", sagt Renn. "Diese Bestätigung ist ein Ansporn, der große Wirkung erzielen kann."

Effizienz statt Verzicht

Der gegenwärtige gesellschaftliche und wirtschaftliche Kontext ist für den Aufruf zum Sparen denkbar schlecht. Michael Ornetzeder vom Institut für Technikfolgen-Abschätzung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) verweist auf eine Kultur des Sparens, die den Menschen in Europa abhandengekommen sei. "Für die Nachkriegsgesellschaft war Sparen oft noch eine Notwendigkeit. Die damalige verbreitete Sparkultur erleichterte während der Ölkrisen der 1970er-Jahre das Durchsetzen von Maßnahmen wie dem autofreien Tag. Spätestens in den 1990er-Jahren ist das Sparen aber aus der Mode gekommen. Der Diskurs hat sich verändert in Richtung einer Effizienzkultur, die letztlich wieder Wachstum fördert."

Gleichzeitig bildeten sich neue neoliberale Vorstellungen von Freiheit, die die Steuerungsfähigkeit des Staates unterminieren. "Die hohe Empfindlichkeit des neoliberal geschulten Bürgers auf staatliche Zwänge war auch bei der Impfdebatte zu bemerken", veranschaulicht Ornetzeder. Dieses ökonomische Freiheitsmodell widerspricht auch jedem – nicht von Marktpreisen geleiteten – Energiesparen.

Spätestens 2040 soll Österreich klimaneutral werden. Man könnte annehmen, dass ein veränderter Umgang mit Energie aufgrund der Ukraine-Krise hilft, diesem Ziel näherzukommen. Doch Ornetzeder, der unter anderem in einem vom Wissenschaftsfonds FWF geförderten Projekt die Folgen und Risiken energietechnischer Innovationen untersucht, ist skeptisch. "Gesellschaftliche Prozesse brauchen Zeit. Wir folgen jetzt einem Krisenaufruf zum Sparen. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass sich der Verbrauch nach der Krise wieder auf gewohntem Niveau einpendelt." Auch nach der Ausnahmeerfahrung der Corona-Pandemie kehrte man schließlich großteils wieder zu vertrauten Routinen zurück. Mittelfristig werde Gassparen durch Verhaltensänderungen ohnehin nur eine untergeordnete Rolle spielen, prognostiziert Ornetzeder. "Gas muss in den kommenden 20 Jahren weitgehend ersetzt werden. Dafür braucht es massive Bemühungen bei der Gebäudesanierung und der Umstellung auf neue Heizsysteme."

Unmittelbare Klimakrise

Spätestens wenn die Klimakatastrophe für viele Menschen zur unmittelbar spürbaren Krise wird, könnte sich das Beharren auf schädlichen Handlungsweisen ändern. "Waldbrände, Überflutungen und heiße Sommer, die die Menschen selbst erleben, lassen sie erkennen: Wir sind auch selbst Opfer, nicht nur indirekte Täter", sagt Nachhaltigkeitsforscher Ortwin Renn. "Eine junge Generation, die sich bei Fridays for Future zusammenfindet, denkt bereits in dieser Weise." (Alois Pumhösel, 2.2.2023)