Mit einem Jahr Verspätung wird das Gesetz am Mittwoch beschlossen.

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Mit mehr als einem Jahr Verspätung und einem Verfahren der EU-Kommission im Nacken haben die Regierungsparteien am Mittwoch das Whistleblower-Gesetz im Nationalrat beschlossen. Die Opposition stimmte geschlossen dagegen, ihr geht das Vorhaben nicht weit genug.

In Kraft treten werden die neuen Bestimmungen erst in einigen Monaten. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sollen künftig die Möglichkeit haben, Missstände bei ihrem Arbeitgeber aufzudecken. Aber worum geht es dabei genau? Und warum üben NGOs wie Transparency International Kritik an dem Gesetz?

Frage: Was ist das Ziel der EU-Richtlinie?

Antwort: Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die Missstände bei ihrem Arbeitgeber aufdecken, sollen vor negativen Konsequenzen wie Kündigungen oder Mobbing geschützt werden. Gleichzeitig sollen die betroffenen Unternehmen oder öffentlichen Stellen die Möglichkeit haben, zunächst intern auf die Vorwürfe zu reagieren.

Frage: Wie funktioniert das konkret?

Antwort: Unternehmen und öffentliche Institutionen mit 50 oder mehr Mitarbeitenden müssen künftig interne Meldekanäle einrichten, an die Hinweise geschickt werden können. Für Unternehmen mit 250 oder mehr Mitarbeitenden gilt die Verpflichtung, sobald das Gesetz in Kraft tritt, mit einer Übergangsphase von sechs Monaten. Unternehmen mit 50 bis 250 Mitarbeitenden sind ab 17. Dezember 2023 erfasst.

Frage: Und wenn sich Unternehmen nicht daran halten?

Antwort: Gibt es keine Meldekanäle oder wäre ein interner Hinweis aussichtslos, können sich Whistleblower auch an die externe Meldestelle beim Bundesamt für Korruptionsbekämpfung wenden. Mitarbeitende, die gekündigt werden, weil sie einen Missstand aufgedeckt haben, können sich dagegen beschweren. Wer Whistleblower unter Druck setzt oder behindert, dem drohen Verwaltungsstrafen bis zu 20.000 Euro, im Wiederholungsfall bis zu 40.000 Euro. Dieselben Strafhöhen gelten für Mitarbeitende, die "wissentlich" falsche Hinweise geben.

Frage: Welchen Vorteil hat die neue Regelung für Unternehmen?

Antwort: Sie können intern Missständen nachgehen, ohne dass gleich die Behörden informiert werden, was gewöhnlich mit Reputationsproblemen verbunden ist. Unternehmen können den Sachverhalt in Ruhe beurteilen und darauf reagieren.

Frage: Der Schutz von Whistleblowern war eine jahrelange Forderung von vielen NGOs. Warum üben sie jetzt dennoch scharfe Kritik am Gesetz?

Antwort: Die Krux im Gesetz ist der "sachliche Geltungsbereich". Die EU kann aufgrund ihrer Zuständigkeiten nämlich nur Whistleblower schützen, die Verstöße gegen EU-Recht wie Wettbewerbs-, Vergabe- oder Datenschutzrecht aufdecken. Damit das Gesetz Sinn macht, müssten es die Mitgliedsstaaten aus Sicht von Fachleuten deshalb auch auf rein nationale Materien ausdehnen. Das ist in Österreich aber nur zum Teil geschehen.

Im Gegensatz zu Deutschland ist etwa nicht das gesamte Strafrecht, sondern nur das Korruptionsstrafrecht erfasst, erklärt Stefan Albiez, Rechtsanwalt bei Binder Grösswang. Damit bleibt zum Beispiel Betrug oder Untreue ausgeklammert. "Das ist schade, es gibt genauso ein Interesse daran, diese Delikte aufzudecken", sagt Albiez. Insgesamt ist der Anwendungsbereich laut Transparency International und Epicenter Works so kompliziert formuliert, dass er ohne juristische Vorbildung schwer zu durchschauen sei. Damit sei für Whistleblower oft unklar, wann sie nun geschützt sind und wann nicht. Zumindest bei der Haftung gibt es für sie aber eine Erleichterung, erklärt Albiez: Nur wissentliche Falschmeldungen sind strafbar.

Frage: Was sagt die Politik zum Gesetz?

Antwort: Der Nationalrat hat das Gesetz am Mittwoch mit den Stimmen der Regierungsparteien beschlossen. Der ÖVP-Abgeordnete Peter Haubner sah ein "praktikables" Gesetz, um Whistleblower zu schützen und gleichzeitig den Bürokratieaufwand für Unternehmen gering zu halten. Agnes Sirkka Prammer, Justizsprecherin der Grünen, klang in der Nationalratsdebatte selbstkritisch: "Ich werde Ihnen nicht erzählen, dass wir das beste Whistleblower-Gesetz der Welt beschließen. Das wird es nicht sein. Wir erfüllen aber die Anforderungen der Richtlinie und gehen zum Teil auch darüber hinaus."

Die Opposition stimmte geschlossen gegen das Gesetz, weil ihr die Regelung nicht weit genug geht. Die SPÖ kritisierte, dass Expertenmeinungen nicht einbezogen wurden. Dagmar Belakowitsch von der FPÖ ist der Meinung, dass das Gesetz seinen eigentlichen Zweck "konterkariert". Auch Neos-Justizsprecher Johannes Margreiter zeigte sich kritisch. "Gut Ding braucht Weile. Bei diesem Gesetz trifft das aber nicht zu", sagte der Abgeordnete. "Es ist peinlich genug, dass wir in schwerem Verzug mit der Umsetzung der EU-Richtlinie sind. Was nun herausgekommen ist, kann sich durchaus nicht sehen lassen" (Jakob Pflügl, 1.2.2023)