Die Wiener Wirtschaftskammer fordert unter anderem eine weitere Reform der Rot-Weiß-Rot-Karte zur rascheren Abwicklung der Verfahren sowie zur Ausdehnung auf Lehrlinge.

Foto: www.corn.at Heribert CORN

Der Personalmangel hat die Wiener Betriebe ordentlich im Griff: Seit 2019 ist der Bedarf nach jungem Fachkräftenachwuchs gestiegen – am meisten gefragt sind Lehrlinge. Das zeigt die am Mittwoch vorgestellte neue Bildungsbedarfsanalyse der Wirtschaftskammer Wien. 2019 gab noch rund ein Viertel der Betriebe an, in naher Zukunft mehr Lehrlinge aufnehmen zu wollen, nun sind es bereits mehr als 40 Prozent. Aber auch in anderen Ausbildungszweigen ist der Bedarf hoch.

Diese Zahlen ergeben sich aus den Befragungen, für die im Sommer und Herbst vergangenen Jahres 925 Wiener Unternehmen (mit 80.000 Beschäftigten) telefonisch und online herangezogen wurden– was etwa 15 Prozent der Gesamtbeschäftigten in der Bundeshauptstadt entspricht.

"Unterangebot" in allen Bereichen

Rund die Hälfte der Betriebe ortete ein Unterangebot an Lehrlingen am Bildungsmarkt, rund 40 Prozent an HTL-Absolventen und jeweils mehr als ein Viertel an Fachhochschul- und Uni-Absolventen. Zum Vergleich: Verschwindend klein ist der Anteil der Unternehmen, die in diesen Bereichen ein Überangebot sehen – er bewegt sich zwischen zwei (HTL) und sieben Prozent (Unis). Der Rest hält das Angebot am Bildungsmarkt verglichen mit dem Unternehmensbedarf für gerade passend. Im Vergleich zur letzten Befragung 2019 ist der Anteil jener Betriebe, die ein Unterangebot wahrnahmen, pro Ausbildungsbereich um jeweils rund 15 Prozentpunkte angewachsen.

Rund 42 Prozent der Unternehmen gaben an, in den nächsten drei bis fünf Jahren mehr Lehrlinge zu beschäftigen (2019: 27 Prozent). Umgekehrt meinten lediglich sechs Prozent, keine oder weniger Lehrabsolventen bei sich arbeiten zu lassen. Rund 35 Prozent der Betriebe wollen mittelfristig mehr HTL-Absolventen anstellen (2019: 23 Prozent), nur zwei Prozent gaben an, in diesem Zeitraum weniger oder gar keine zusätzlich beschäftigen zu wollen. Auf ähnlich hohe Prozentsätze bei der Prognose der zusätzlichen Beschäftigung kommen Fachhochschul- (37 Prozent) und Uni-Absolventen (30 Prozent), auch hier gab es jeweils Zuwächse gegenüber der Erhebung von 2019.

Technische Fachhochschulen sind Schlusslicht

Auch interessant: Deutlich geringer ist der Anteil jener Unternehmen, die davon ausgehen, mittelfristig mehr Absolventen von technischen Fachschulen (elf Prozent), kaufmännischen BMS/Fachschulen (19 Prozent) und HAKs (16 Prozent) zu beschäftigen. Deren Anteil liegt sogar hinter der zusätzlichen Beschäftigungserwartung ungelernter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (22 Prozent). Auch hier gab es aber Zuwächse gegenüber 2019.

Hochgerechnet suchen die Wiener Betriebe in den nächsten drei bis fünf Jahren rund 55.000 Fachkräfte. Unter anderem forderte Wirtschaftskammer-Präsident Walter Ruck ein Stipendium für Erwachsene, die erstmals eine Lehre beginnen. Außerdem soll der Lehrabschluss als Berechtigung für ein facheinschlägiges Studium anerkannt sowie Wirtschaft als Pflichtfach ab der fünften Schulstufe eingeführt werden. Durch eine Bildungspflicht sollen Jugendliche das Schulsystem erst nach Erreichen von bestimmten Bildungszielen verlassen dürfen.

Abseits davon verlangt die Wiener Wirtschaftskammer eine weitere Reform der Rot-Weiß-Rot-Karte zur rascheren Abwicklung der Verfahren sowie zur Ausdehnung auf Lehrlinge. (etom, APA, 1.2.2023)