Dass einem das Sexualleben wichtiger ist als ein erholsamer Nachtschlaf, klingt jetzt nicht unbedingt total verrückt – vorausgesetzt, man verfügt nicht über einen Sexdrive, der alle Skalen sprengt. Den Männchen eines australischen Beutelmarders geht es so, und ihr ungestümer Paarungsdrang kostet sie nicht nur das Leben, sondern könnte sogar für die gesamte Spezies existenzgefährdend sein.

Der Zwergbeutelmarder (Dasyurus hallucatus) ist ein fleischfressendes Beuteltier von der Größe eines Wiesels. Auf seinem Speisezettel stehen vor allem Insekten, aber auch kleine Säuger und Vögel verschmäht er nicht. Sein Fell ist graubraun bis braun, auf dem Rücken trägt er die für die Gattung typischen weißen Flecken. Zwergbeutelmarder kommen heute nur mehr in wenigen Populationen im Osten von Queensland, der Northern Territory und Westaustralien vor, einst dürften sie jedoch im gesamten Norden Australiens heimisch gewesen sein.

Anstrengender Juli

Ihren Status "gefährdet" auf der roten Liste der bedrohten Arten der IUCN verdanken die Zwergbeutelmarder zum Teil wohl auch ihrem anstrengenden Fortpflanzungsverhalten: Die Paarungszeit im Juli verlangt den Männchen der Spezies nämlich buchstäblich alles ab, am Ende sind sie völlig ausgepowert und sterben. Die Weibchen bleiben zurück und müssen die Jungen allein aufziehen.

Die Männchen der Zwergbeutelmarder sind für den Arterhalt bereit, ihr Leben zu geben.
Foto: Australian Science Media Centre

Ein australisches Team ist nun dahintergekommen, was genau die Männchen der Zwergbeutelmarder nach der Paarungszeit das Leben kostet: Es ist der Vorrang, den die Tiere dem Sex gegenüber Schlaf einräumen, trotz Erschöpfung. Letztlich führt das dazu, dass männliche Beutelmarder kaum ein Jahr überleben, während die Weibchen bis zu vier Jahre alt werden können.

Die Beutelmarder seien für möglichst viele Rendezvous bereit, in den Savannen Nordaustraliens weite Strecken zurückzulegen, erklärte Christofer Clemente von der University of the Sunshine Coast (UniSC). "Es scheint, als wäre ihr Trieb so stark ausgeprägt, dass sie auf jeglichen Schlaf verzichten, um mehr Zeit mit der Suche nach Weibchen verbringen zu können", sagte der Ökophysiologe.

Die Männchen lassen sich gehen

Die Gefahren von Mangel an Ruhezeiten seien bei Nagetieren gut dokumentiert, schreiben die Forschenden im Fachjournal "Royal Society Open Science". Viele der Anzeichen für Schlafmangel habe man auch bei den männlichen Zwergbeutelmardern beobachtet, nicht jedoch bei den weiblichen.

Nicht nur, dass sie sich beim Power-Daten über große Distanzen kräftemäßig völlig verausgaben, die Studie zeigte auch, dass die Männchen während der Paarungszeit anfälliger für Parasiten sind – eine Folge testosteronbedingter Schlamperei, wie es scheint. Laut den Forschenden würden sich die Beutelmarder in dieser Zeit ziemlich "gehen lassen" und viel mehr Energie in das Anbahnen ihrer vielen Stelldicheins als in die Körperpflege investieren.

Für ihre Einblicke in das Sexualleben der Beutelmarder kamen bei Feldstudien unter anderem Tracker zum Einsatz, die man einzelnen Männchen wie einen kleinen Rucksack umschnallte. Das Team sammelte so 42 Tage lang Daten auf Groote Eylandt, einer Insel vor der Küste des australischen Nordterritoriums.

Ein kleiner Tracker auf dem Rücken der Zwergbeutelmarder lieferte dem Team erstaunliche Daten.
Foto: Australian Science Media Centre

Zehn Kilometer durch die Nacht

"Zwei Männchen, die wir Moimoi und Cayless genannt haben, legten in einer Nacht 10,4 Kilometer beziehungsweise 9,4 Kilometer zurück", berichtete Joshua Gaschk (UniSC), Hauptautor der Studie. Umgerechnet auf Menschen und basierend auf der durchschnittlichen Schrittlänge müsste ein Mann in der Nacht 35 bis 40 Kilometer weit marschieren.

"Die Männchen investieren also alles in eine einzige Paarungssaison", sagte Gaschk. "Vermutlich weil die Aussichten, dass sie eine zweite Saison erleben, geringer sind", sagte er. In der Fortpflanzungssaison ruhten die Männchen nur sieben Prozent der gesamten Zeit. Zum Vergleich: Die Weibchen nutzen etwa 24 Prozent der Zeit für die Rast. "Das macht sie auch zu einer leichten Beute für größere Räuber", sagte Gaschk. "Oder sie werden überfahren oder sterben einfach an Erschöpfung."

Kein Einzelfall

Dass die Männchen nur eine einzige Paarungssaison erleben, ist in der Beuteltierwelt kein Einzelfall. Auch bei den Pinselschwanz-Beutelmäusen etwa sterben die Männchen nach der Fortpflanzung. Dort jedoch – so hatten Untersuchungen ergeben – verendeten die Männchen an inneren Blutungen und Infektionen, eine Folge des Anstiegs von Stresshormonen während der Paarungszeit.

Der aufzehrende Paarungsdrang der Männchen könnte sich für die ohnehin schon von Aga-Kröte, Katze und Fuchs bedrohten Zwergbeutelmarder als fatale Strategie erweisen. Die Untersuchungen würden zumindest darauf hindeuten, dass die gefährdeten Steppentiere aufgrund ihres Verhaltens aussterben könnten. Andererseits, so Gaschk, spielt sich die Fortpflanzung bei diesen Beuteltieren seit Jahrtausenden so ab. "Irgendeinen Nutzen muss sie also haben." (tberg, 2.2.2023)